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PORTRÄT JUSTIN WELBY BISCHOF VON DURHAM:: „Ich bin erstaunt, hier zu sein“

Elf Jahre lang arbeitete Justin Welby als Manager in der Ölindustrie. Dann wurde er Priester und Bischof der anglikanischen Kirche. Am Freitag wird er vermutlich zu deren Oberhaupt ernannt.

Keine weißen Rauchwolken, aber Seufzer der Erleichterung dürften durch den Sitz der anglikanischen Kirche im Londoner Lambeth Palace ziehen, wenn heute der Name des neuen Erzbischofs von Canterbury offiziell enthüllt wird. Nach wochenlangem Enklave schlug die „Kron-Ernennungskommission“ dem Premier und dieser der Queen den 56-jährigen Justin Welby, Bischof von Durham, als neuen geistlichen Führer der weltweit 77 Millionen Anglikaner vor.

Welby hat dienstältere Bewerber wie den volkstümlichen Erzbischof von York, John Sentamu, angeblich durch ein exzellentes erstes Jobinterview aus dem Felde geschlagen. Die englische Kaderschmiede Eton kann wieder einmal stolz sein. Wie die zukünftigen Thronfolger, der Premier und der Londoner Bürgermeister ist auch Welby Eton-Schüler.

Aber auch sonst ist Welby gut qualifiziert. Bis er 1987, nach dem Unfalltod einer Tochter, einen „unentrinnbaren Ruf Gottes“ verspürte, war er elf Jahre lang Manager beim Ölkonzern Elf Aquitaine und Finanzchef der Enterprise Oil PLC. In seiner theologischen Dissertation beantwortete er die Frage: „Können Unternehmen sündigen?“ Dann warf der Spätberufene fachkundige Blicke in die Bücher der Geldnot leidenden Kirche.

Er sei erstaunt, hier zu sein, sagte der schmächtige Mann, als er vor einem halben Jahr seine Jungfernrede im Oberhaus hielt. Er meinte nicht nur seine erstaunliche Karriere, sondern „dass ich überhaupt hier bin“. Nach dem sanftmütigen Eingang attackierte er Unternehmen, die Geld horteten, statt in die Wirtschaft zu investieren. Seither wettert das Doppeltalent im Bereich Gott und Geld gegen die „Sünden der City“. Im Bankenausschuss des Parlaments wirft Welby stellvertretend das Auge Gottes auf die Finanzwelt.

Nützlich dürften aber vor allem seine Erfahrungen in der Konfliktlösungsdiplomatie werden, die er in Nigeria unter Lebensgefahr als Vermittler zwischen Christen und Muslimen sammelte. Auch im Streit zwischen Traditionalisten und Liberalen unter den Anglikanern ist die Konfliktlösung gefährlich, wie Welbys Vorgänger Rowan Williams weiß, der nach zehn Jahre zermürbt aus dem Amt scheidet. Ihm gelang nie, die Anglikaner in Fragen wie Homosexuellenehe oder der Weihe weiblicher Bischöfe zu einigen. Vielleicht hat der welterfahrene Traditionalist Welby bessere Chancen. Im ersten Punkt soll er dagegen, im zweiten dafür sein. Matthias Thibaut

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