zum Hauptinhalt

Meinung: Prinzenrolle vorwärts

Weist der Vorschlag des saudischen Kronprinzen Abdullah den Ausweg aus der Gewaltspirale in Nahost? Kann er erreichen, was den detaillierten Mitchell- und Tenet-Plänen nicht gelungen ist?

Weist der Vorschlag des saudischen Kronprinzen Abdullah den Ausweg aus der Gewaltspirale in Nahost? Kann er erreichen, was den detaillierten Mitchell- und Tenet-Plänen nicht gelungen ist?

Auf den ersten Blick müsste die Antwort "nein" lauten. Bisher ist die Idee, die arabische Welt werde Israel anerkennen, wenn es sich aus den 1967 besetzten Gebieten zurückzieht, noch gar kein offizielles Angebot. Nur die Grundthese, aber kein einziges Detail ist bisher bekannt. So ist nur indirekt von den palästinensischen Flüchtlingen die Rede, die einen der Hauptstreitpunkte zwischen Israel und Palästinensern ausmachen.

Es ist unwahrscheinlich, dass der ausgearbeitete Plan, den der Kronprinz beim Arabischen Gipfel in Beirut vorlegen will, viel mehr technische Details enthalten wird. Und dennoch trägt der Vorschlag großes Potenzial in sich. Denn er bietet erstmals wieder eine politische Vision an in dem vom militärischen Schlagabtausch geprägten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

Zwar hatten die Palästinenser immer betont, dass die Gewalt ohne eine politische Perspektive nicht beenden werden kann. Diese konnte nur Israel, die überlegene Besatzungsmacht, bieten. Doch die israelische Regierung hat dies bisher abgelehnt und zuvor eine siebentägige Waffenruhe gefordert.

Anerkennung durch die Araber

Die Palästinenserführung hat ihren politischen Trumpf, die Anerkennung des Staates Israel, bereits in Oslo aus der Hand gegeben. Der saudische Vorstoß erinnert nun Israel und seinen Verbündeten daran, dass eine Rückgabe des Landes an die Palästinenser auch dem jüdischen Staat eine politische Perspektive bietet: Nicht nur ein Ende der täglichen Gewalt, sondern die Anerkennung durch den Rest der arabischen Welt.

Damit hat Saudi-Arabien einen neuen Anreiz für Israel geschaffen, sich zu den notwendigen Konzessionen durchzuringen. Vor allem aber hat der "Abdullah-Plan" schon in seiner jetzigen rudimentären Form enorme psychologische Bedeutung: Die arabische Welt ist bereit, Israel die Hand auszustrecken, wenn es die UN-Resolutionen befolgt. Zudem erhält dieses Angebot besonderes Gewicht, weil es aus dem Mund des Kronprinzen Abdullah kommt, der als Nationalist und Kritiker Israels und der USA bekannt ist. Dieser psychologische Aspekt könnte den Durchbruch bringen - wenn Israel sich darauf einlässt.

Psychologischer Effekt

Viele Israelis sind seit Ausbruch der Intifada davon überzeugt, dass Palästinenser und Araber niemals Frieden schließen wollen. Das Misstrauen ist in den vergangenen Monaten ins Unermessliche gewachsen. Wohl auch aus diesem Grunde hat die israelische Regierung alle palästinensischen Bemühungen um eine Waffenruhe, der über Weihnachten immerhin fast drei Wochen gehalten hat, nicht ernst genommen. Vielleicht kann der saudische Vorschlag den Israelis das nötige Vertrauen geben, das zu einer politischen Einigung nötig ist.

Dazu müsste der Plan des saudischen Kronprinzen von allen arabischen Ländern abgesegnet werden. Ob Syrien oder Irak dem zustimmen, ist allerdings ungewiss. Auch deshalb ist der Vorstoß von Prinz Abdullah sehr mutig. Denn der De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens bringt außerdem das mächtige religiöses Establishment im eigenen Lande gegen sich auf.

Manche arabische Kommentatoren werten den Vorstoß als Beweis dafür, dass das Königshaus sich aus der Symbiose mit dem konservativen religiösen Establishment, die Saudi-Arabien charakterisiert, lösen will. Anzeichen dafür hatte es bereits in den vergangenen Monaten gegeben. So hatte das Königshaus klar gestellt, dass die islamischen Würdenträger lediglich konsultative Funktion hätten. Auch den Heiligen Krieg könne nur der saudische König ausrufen, hatte man verkünden lassen, als oppositionelle Geistliche zum Dschihad in Afghanistan aufriefen.

Zwei Motive des Kronprinzen sind zu erkennen: Ihn mag antreiben, dass nur ein Ende des Nahostkonfliktes islamistischen Extremisten, die auch sein Regime bedrohen, den Wind aus den Segeln nehmen kann. Die starken Sympathien saudischer Bürger für Osama bin Laden haben dies noch einmal deutlich gemacht.

Gleichzeitig beweist Saudi-Arabien den USA, zu denen die Beziehungen seit dem 11. September extrem gespannt sind, seinen Willen zur konstruktiven Zusammenarbeit. Und kann damit möglicherweise manch drohendes Unheil von Seiten der republikanischen Hardliner in Amerika abwenden. Hat sich doch in den USA eine auch durch die amerikanischen Medien befestigte politische Front aufgebaut, die das saudische Königshaus, den langjährigen Alliierten, mitverantwortlich für islamistischen Extremismus macht.

Wieder Politik gestalten

Doch auch im arabischen Lager könnte der Plan, wenn man sich darauf einigte, einen Durchbruch bedeuten: Erstmals seit Jahren zöge man wieder an einem Strang. Die arabische Welt würde nicht länger in einer Opfermentalität verharren und nur auf äußere Ereignisse reagieren. Sie hätte bewiesen, dass sie selbst die Initiative ergreifen und Politik gestalten kann, anstatt sie nur zu erleiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false