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Meinung: Privates bleibt privat

Seehofer und Caroline – das ist ein Prinzip

Ob Horst Seehofer am Ende doch noch CSU-Vorsitzender wird, entscheidet sich nicht im Lichte seiner privaten Affäre – schließlich konnte die Landrätin Gabriele Pauli den Sturz Edmund Stoibers auslösen, obwohl sie gerade zum wiederholten Male geschieden wird. Dass das Private privat bleiben müsse, dieser Satz ist ebenso richtig, wie er den Fall Seehofer gar nicht trifft.

Doch zunächst ein Hinweis auf die bisweilen absonderlichen Konjunkturschwankungen der veröffentlichten Meinung: Vor etwas über zwei Jahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil in der Causa „Caroline“ (von Monaco) gefällt und damit den Schutz der Privatsphäre prominenter Personen etwas verbessert. Von einigen respektablen Ausnahmen abgesehen, heulten die deutschen Journalisten (und Verleger) auf – von der „Bäckerblume“ bis zum Springer-Konzern, dessen Chefredakteure kollektiv protestieren mussten: Dieses Urteil sei eine üble Einschränkung der Pressefreiheit!

Ihnen war das „Caroline-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts viel lieber gewesen, in dem es hieß, die Pressefreiheit schütze nicht nur die politisch, ja geistig relevante Information und Meinung, sondern auch die bloß unterhaltsame Berichterstattung über Prominente: „Prominente Personen stehen überdies für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen. Vielen bieten sie deshalb Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen. Sie werden zu Kristallisationspunkten für Zustimmung und Ablehnung und erfüllen Leitbild- und Kontrastfunktionen…Für Personen des politischen Lebens ist ein derartiges Interesse des Publikums…stets als legitim anerkannt worden…“ Einen bequemeren verfassungsrechtlichen Rechtstitel für die rein kommerziell ergiebige Celebrity-Berichterstattung kann man sich gar nicht ausdenken.

Zwar halte ich diese Passage aus dem Karlsruher Urteil von 1999 für ziemlich absurd. Aber für noch absurder halte ich das Verhalten jener Journalisten, die damals Pfui nach Straßburg schrien – und heute, im Widerspruch dazu, angesichts der Causa Seehofer fordern, das Private müsse unbedingt privat bleiben.

Was hat nun aber wirklich zu gelten? Erstens – und in der Tat: Das Private hat privat zu bleiben! Der gewählte Politiker schuldet uns keineswegs ein anständiges Privatleben, sondern eine anständige Politik. Der gewählte Politiker soll also nicht unbedingt ein besserer Mensch sein als wir, aber sehr wohl ein besserer – Politiker. Zweitens: Will ein Politiker – da viele das Sachliche und Politische an der Politik immer weniger durchschauen – unsere Zustimmung nicht für seine Sache, sondern vor allem für seine Person gewinnen, will er überdies unser Vertrauen damit erwerben, dass er sich als vertrauenswürdige und treue Person darstellt (beides hängt ja unmittelbar zusammen), und zeigt er uns zu diesem Zwecke sein Privatleben öffentlich vor – dann allerdings muss er auch für die Richtigkeit dieser Selbst-Demonstration geradestehen.

Erweist sich dieses Image plötzlich als unwahr, dann richtet sich der Vorwurf im Kern nicht gegen das Scheitern einer Ehe oder gegen ein „Verhältnis“ (denn dann hätten wir ernstliche Personal- und Nachwuchsprobleme, nicht nur in der Politik), sondern allein gegen die zweckgerichtete Aufrichtung eines falschen Scheins. Und zur öffentlichen Erörterung steht dann nicht eigentlich das private Leben, sondern allein die unzutreffende öffentliche Zurschaustellung des Privaten. Es gilt nämlich auch dies: Das einmal Veröffentlichte bleibt – öffentlich.

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