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Am Sonntagabend gibt es zum ersten mal das neue Talk-Format von Stefan Raab zu sehen.

© dapd

Raabs neuer Polit-Talk: Der Preis der Debatte

Im Polit-Talk von Stefan Raab gibt es ein Preisgeld für den besten Debattierer. "Geld für Meinung" sagen die Kritiker. Das wiederum ist Unsinn, meint unser Kolumnist Harald Martenstein. "Geld für Meinung" ist eher das, was die Politiker im Wahlkampf machen.

An diesem Sonntag wird in meinem Leben etwas passieren, was nur ganz selten vorkommt: Ich werde mit großer Vorfreude den Fernseher einschalten. Stefan Raabs politische Talkshow kommt zum ersten Mal, bei Pro 7. Sie heißt „Absolute Mehrheit“. Drei Politiker, ein Prominenter und ein Mensch aus dem Volk diskutieren über ein Thema. Von Zeit zu Zeit stimmt das Publikum ab. In jeder Runde fliegt einer raus. Wenn am Ende jemand mehr als 50 Prozent der Zuschauer überzeugt hat, kriegt diese Person 100 000 Euro.

Es handelt sich also um eine Kreuzung von zwei beliebten Fernsehgenres, der Talkshow und der Castingshow. Innovationen, die keine Importe sind, gibt es im deutschen Fernsehen etwa so häufig wie Regen in der Sahelzone. Und wenn Raab etwas macht, dann hat es immer Hand und Fuß. Raab hat den Schlager-Grand-Prix aufgemischt, jetzt versucht er das Gleiche mit der politischen Talkshow.

Der Präsident des Bundestags, Norbert Lammert, sagt dazu: „Das ist Unfug. Wer Geld für Meinungen aussetzt, bestellt Meinungen für Geld.“ Als ich das las, habe ich zum ersten Mal am scharfen Verstand von Norbert Lammert gezweifelt. Raab bezahlt die Leute doch nicht dafür, dass sie eine bestimmte Meinung haben. Er lobt einen Preis aus für Menschen, die besonders gut debattieren können. Den Rednerwettstreit, mit Geldpreisen, gab es doch schon in der Antike. Rhetorik ist eine Kunst, wie Singen. Künstler dürfen doch wohl Geld kriegen. Außerdem lassen sich die Parteien jede einzelne Wählerstimme mit fast einem Euro bezahlen. Ich nenne das: Geld für Meinung. Und wenn ein Politiker beim Katholischen Abwasserverband der Bergisch- Gladbacher Rückversicherung eine Rede hält und dafür 25 000 Euro bekommt, ist das okay – wenn er aber für einen brillanten Fernsehauftritt 100 000 Euro bekommt, die er natürlich spendet, weil jeder es mitbekommt, dann soll das nicht okay sein?

Weil bald Wahlen sind, hat die Regierung in dieser Woche einen warmen Geldregen für das Volk angekündigt. Betreuungsgeld. Keine Praxisgebühr mehr. Ein Kreis schließt sich: Angefangen hat diese Koalition mit zweifelhaften Geschenken für Hoteliers, am Ende steht das zweifelhafte Betreuungsgeld. Eine teure Reform, die vor allem den Anteil von Erstklässlern ohne Deutschkenntnisse in Zukunft steil ansteigen lässt und deshalb ein massives Förderprogramm für die Jugendkriminalität von morgen darstellt. Trotz Staatsverschuldung werden wie eh und je Wahlgeschenke verteilt, und warum? Weil man glaubt, man könne für Geld Wählerstimmen kaufen. Was ja leider nicht selten funktioniert. Das ist eine Schattenseite der Demokratie: Man kann tatsächlich Meinungen für Geld bestellen. Aber daran ist wirklich nicht Stefan Raab schuld.

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