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Bundesmarine: Raus ins Offene

Deutsche Soldaten dürfen erwarten, dass die Piratenjagd sauber bleibt.

Von Robert Birnbaum

Wahrscheinlich ist Michael Ende schuld oder Errol Flynn oder, für die Jüngeren, Johnny Depp in „Fluch der Karibik“. Wer das romantische Zerrbild vom Piraten nicht kennt, kann nur schwer nachvollziehen, wieso sich plötzlich alle Welt für die Piratenjagd am Horn von Afrika begeistert. Selbst der Bundeswehr-Verband, sonst eher zurückhaltend, seine Mitglieder in Kampfeinsätze zu schicken, drängt zur Eile.

So groß ist der Erwartungsdruck, dass die Bundesregierung in eine verquere Lage kommt: Statt sich mit den üblichen Bedenkenträgern herumzuschlagen, steht diesmal sie als Paragrafenhuber da. Ist sie das? Jein. Objektiv haben es die Deutschen schwerer als andere Nationen, weil anderswo die verfassungsrechtliche Brandmauer zwischen Polizei und Militär fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Wand in seinem Abschussurteil noch verstärkt, als es dem Militär verbot, in Amtshilfe für die Polizei militärisches Gerät einzusetzen. Wer das damals richtig fand, kann der Regierung jetzt nicht vorwerfen, dass sie penibel Möglichkeiten und Grenzen des Militärs als Hilfspolizei prüft.

Allerdings wäre es auch falsch, das lange Nachdenken bloß der Sache selbst zuzuschreiben. Da spielen höchst politische Motive hinein. Die Union etwa will verhindern, dass die Bundesmarine zu viele Gefangene macht, die in Deutschland vor Gericht kämen. Die Sorge ist groß, dass Aufgegriffene sich als unschuldige, zwangsverpflichtete Fischersleut ausgeben und Asyl beantragen. Ein Massenzustrom würde daraus nicht. Aber schon ein einziger Fall, vom Boulevard genüsslich skandalisiert, taugt zur stammtischpolitischen Katastrophe.

Für die SPD ist der Piratenfall ebenso heikel. Die Fraktion hat gerade erst die Einigung der Koalition zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren gekippt. Sie hat dafür in Kauf genommen, ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier zu blamieren, der treibende Kraft hinter der Einigung war. Steinmeier hat sicher keine Lust darauf, dass vor seinem Kopf die gleiche Wand noch einmal auftaucht.

Umgekehrt dürften Innenminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Franz Josef Jung sich bestätigt fühlen. Jede neue Absurdität, über die ihre Juristen nachdenken, jeder mit dem Hubschrauber einzufliegende Bundespolizist spielt ihrem Argument in die Hand, dass die Brandmauer längst nur noch Hindernis ist.

Verdächtig allerdings ist auch der Verfolgungseifer all derer, die über die deutschen Überbürokraten lästern. In dem Spott steckt einfach zu viel Wilde Dreizehn: Gut gegen Böse, gepanzertes Kanonenboot gegen gekaperten Seelenverkäufer, Ketten an die Füße und ab in die Bilge mit den Kerlen – und endlich mal ein Einsatz der Bundeswehr für eine gerechte Sache!

Aber es geht nicht darum, dass die Marine sich beweist. Es geht um organisierte Kriminalität, die stört, seit sie wichtige Handelsrouten bedroht. Und es geht ganz nebenbei um deutsche Soldaten, die ein Anrecht darauf haben, dass ihr Tun rechtstaatlich sauber bleibt.

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