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Regierungsumzug: Rutschbahn an die Spree

Von Bonn nach Berlin: Der Komplettumzug der Regierung nimmt auch ohne Plan Gestalt an. Tatsächlich hat die Region Bonn über alle Maßen von der Umzugsentscheidung profitiert. Berlin hingegen hat weiterhin Mühe, wenigstens den Anschluss an die im Westen erzielten Wachstumsraten zu halten.

Nein, mit Änderungen des Bonn-Berlin-Gesetzes mag sich die Kanzlerin derzeit nicht befassen. Zu heikel ist das Thema des Umzugs weiterer Ministerien von Bonn nach Berlin aus Sicht der Parteivorsitzenden, als dass Angela Merkel es ohne Not vor den nächsten Wahlen anpacken möchte. Eine solche Debatte nämlich würde zwangsläufig die Risse unter der nur vordergründig geschlossen wirkenden Parteifassade der CDU bloßlegen – und den ohnehin widerborstigen Parteifreund Jürgen Rüttgers in Düsseldorf zu weiteren Attacken gegen die da in Berlin ermutigen.

Auch Wolfgang Schäuble, ohne dessen denkwürdigen Debattenauftritt der Bundestagsbeschluss zum Regierungsumzug nach Berlin seinerzeit wohl nicht zustande gekommen wäre, hält sich aktuell zurück. Der Innenminister, so die offizielle Lesart, verfolge aktuell keine Pläne zur Änderung der im Bonn-Berlin-Gesetz festgelegten Arbeitsteilung zwischen der Bundesstadt am Rhein und der Hauptstadt an der Spree.

Doch es ist das von Schäuble geführte Innenministerium, das jetzt in einem Bericht für den Haushaltsausschuss detaillierte Fakten zusammengetragen hat, wonach es für eine weitere Bewahrung des Status quo zumindest ökonomisch keine Berechtigung mehr gibt.

Tatsächlich nämlich hat die Region Bonn über alle Maßen von der Umzugsentscheidung – und den damit einhergehenden Kompensationsleistungen des Bundes – profitiert. Nichts belegt das deutlicher als die Arbeitsmarktbilanz. So stieg die Zahl der Erwerbstätigen in der Region Bonn zwischen 1996 und 2006 um 49 000. Damit ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Region Bonn mit 11,6 Prozent erheblich stärker gestiegen als in Nordrhein-Westfalen (7,2 Prozent) oder im Bundesgebiet (4,2 Prozent). Bonn ist eine boomende Stadt, wozu die aus der ehemaligen Bundespost hervorgegangenen Dax-Konzerne Telekom, Deutsche Post und Postbank kräftig beitragen. Zudem profitiert Bonn von der Arbeitsteilung mit der Hauptstadt, denn die Ministerien, allen voran des Justizministerium, verlagern mehr und mehr Dienstleistungsbereiche – wie etwa das Bundesamt für Justiz – an den Rhein.

Berlin hingegen hat weiterhin Mühe, wenigstens den Anschluss an die im Westen erzielten Wachstumsraten zu halten. Kein Wunder, dass hier die Debatte um einen Komplettumzug aller Ministerien immer wieder aufflammt.

De facto, und auch das belegt der Schäuble-Bericht, trifft diese Stimmung auch die Praxis in der Regierung. Denn in den einzelnen Ministerien verstärkt sich die Neigung, zumindest die Kernkompetenzen der Häuser in der Hauptstadt zu konzentrieren. Der Rutschbahneffekt ist also längst da. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis tatsächlich alle Regierungsfunktionen in Berlin gebündelt sind.

Und es ist wieder Schäuble, der – wenn auch ohne Plan – die Brücke baut: Bei einer Änderung des Bonn-Berlin-Gesetzes, so sein Statusbericht, müsste für die Bundesstadt am Rhein ein weiterer materieller Ausgleich zumindest geprüft werden.

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