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Der zypriotische Finanzminister Michael Sarris zu Besuch in Moskau.

© dpa

Rettung zypriotischer Finanzbranche: Der Russe kommt, Europa fürchtet sich

Die Rettung des zypriotischen Finanzsektors ist keine reine EU-Angelegenheit. Auch die Russen stehen in der Pflicht zu helfen. Doch die Bedingungen könnten europäische Ängste erwecken, obwohl die Europäer viel besser daran täten, die Gunst der Stunde zu nutzen.

Von Antje Sirleschtov

Russische Soldaten auf Zypern und der Multikonzern Gazprom, wie er den europäischen Energiemarkt nicht nur mit sibirischem Gas und Öl beherrscht, sondern nun auch noch unsere eigenen Vorkommen, die im Mittelmeer vor Zypern, ausbeutet? Die hektischen Verhandlungen zwischen der zyprischen Regierung und Wladimir Putin um Milliardenhilfen, die das Land am südlichen Rand Europas vor der Insolvenz bewahren sollen, haben auf dem Alten Kontinent längst vergessene Ängste wieder wach werden lassen: Ist der Kalte Krieg vielleicht doch nicht ganz beendet? Steht die russische Übermacht vor der Tür?

Gewiss, was wir eben noch im Fernsehen sahen – die letzten grauenvollen Tage des Zweiten Weltkrieges, unsere Mütter und unsere Väter und die Rote Armee, vor 70 Jahren auf dem Weg nach Berlin –, davor braucht sich niemand zu fürchten. Aus erbitterten Feinden in West und Ost sind Partner geworden. Nicht Freunde, dazu fehlt es zwischen Moskau und Westeuropa an zu vielen Stellen an gegenseitigem Verständnis. Und doch achten sich Europa und Russland als Nachbarn und teilen ökonomische Interessen.

Was Partner allerdings ausmacht, zumal so große wie Europa und Russland, ist ein Gleichgewicht aus Geben und Nehmen im beiderseitigen Interesse. Das scheint im Fall Zypern aus den Fugen zu geraten. Wenn nicht mehr die Europäer dem gestrauchelten Zypern aus der Insolvenzfalle heraushelfen wollen – um jeden Preis –, sondern den Zusammenhalt des Kontinents und die Stabilität der eigenen Währung Moskau überlassen und Wladimir Putin die Möglichkeit geben, sich als Retter des zyprischen Volkes darzustellen, dann zeugt das nicht nur von der Brüchigkeit, die das viel gelobte Europa im Alltag aufweist. Sondern die Bittsteller-Reise der Zyprioten nach Moskau ist auch Ausdruck eines fehlenden gemeinsamen außenpolitischen Instinktes der Gemeinschaft. Wie konnten es die Staats- und Regierungschefs der EU vergangene Woche bloß zulassen, dass die zyprische Regierung vor die Wahl gestellt wird: entweder ein Rettungspaket auf dem Rücken der Kleinsparer oder gar keines? Es war doch abzusehen angesichts der immensen russischen Interessen in Zypern, dass man mit dieser harten Haltung die Südeuropäer in die Arme Moskaus geradezu hineintreibt.

Wenn Zypern aber als Unterpfand für Moskaus Hilfsmilliarden nun Bohrrechte für Gas und Öl hergeben oder den Bau eines russischen Militärstützpunktes gestatten muss, dann hat ganz Europa Probleme. Ökonomisch, weil die Abhängigkeit von russischer Energie steigt. Und strategisch, weil ein Teil Zyperns vom Nato-Mitglied Ankara aus kontrolliert wird und russische Präsenz auf der Insel neue Unruhe stiften könnte.

Natürlich ist es richtig, dass sich Russland nicht aus dem Staub machen kann, wenn es um die Rettung der Finanzbranche in Zypern geht. Denn Nikosia ist so etwas wie ein Geheimtipp für Steuerhinterziehung und Geldwäsche bei den Reichen und Großunternehmen Russlands. Sie alle haben am System Zypern verdient, nun sollen sie auch zahlen. Mit einem Teil ihrer Einlagen zumindest. Doch nicht die gerade erst gewählte Regierung des kleinen Zyperns hätte in Moskau um Hilfe bitten dürfen. Sondern Europa selbst, Brüssel oder Berlin, hätten diese Verhandlungen führen müssen. Als Partner auf Augenhöhe und im Licht der Interessen beider Seiten. Wenn das moderne Europa mehr sein will als nur ein Währungsverbund, wäre dies der Moment gewesen, es zu beweisen.

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