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Meinung: Rösler und Röttgen gegen den Rest

Der Streit um die Förderung der Solartechnik nimmt absurde Züge an.

Nun schlägt man sie schon mit der Nazi-Keule – Wirtschaftsminister Philipp Rösler und seinen bisherigen Antipoden im Kabinett, Norbert Röttgen, Ressort Umwelt. Sie hätten ein „Solar-Ermächtigungsgesetz“ auf den Weg gebracht, heißt es in Aufrufen zur Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor. Dort erwarten am heutigen Montag Verbände und Gewerkschaften tausende Mitarbeiter von Solarfirmen. Sie wollen vor dem „Solar-Ausstieg“ warnen, in der Nähe vom Reichstag.

Den gilt es offenbar vor einem Echo des Jahres 1933 zu bewahren. Denn der Streit um die Förderung einer Technologie, mit der hierzulande nur gut drei Prozent des Stroms erzeugt werden, nimmt absurde Züge an. Der Diskurs wird überlagert, vermischt und aufgeladen durch den Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima am Sonntag. Sprechen wollen Oppositionsführer Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin und Gregor Gysi. Hier ist Rot-Rot-Grün lebendig.

Dazu mischen sich inzwischen selbst Stimmen von Schwarzen und Gelben, die Flagge zeigen gegen die vom Kabinett beschlossene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Mit anderen Worten: Alle sind dabei. Spätestens hier muss man stutzig werden.

Was für ein Gesetzesvorhaben kann so ungerecht, so falsch, ja so gefährlich sein, dass eine so große Koalition der vermeintlich Anständigen dagegen auf die Straße geht? Der Verdacht drängt sich auf, dass ganz unterschiedliche Motive eine Rolle spielen. Und, dass einige schlicht nicht verstanden haben, worum es geht.

Anhänger von SPD und Linken sollten wissen: Wer gegen eine schnelle und drastische Kürzung der Solarförderung kämpft, streitet für mehr Umverteilung von unten nach oben. Der von ihnen umworbene Mieter zahlt mit seiner Stromrechnung die für zwanzig Jahre staatlich garantierte Traumrendite von fünf bis acht Prozent, die eine Solaranlage auf dem Dach des Eigenheimbesitzers erwirtschaftet.

So erklärt sich vielleicht, warum auch Spitzenpolitiker von Union und FDP gegen eine schnelle Kürzung sind. Doch ihre Anhänger sollten wissen: Sie demonstrieren auch für eine Subvention, die tief in die Energiepreise eingreift. Und Grünen sei gesagt, dass Solartechnik mit die ineffektivste Technologie ist, um das Klima zu schützen.

Röttgen und Rösler bitten den Bundestag, die Fördersätze wieder um 20 bis 32 Prozent senken zu dürfen. Und – hier der irre Bezug zu 1933 – um das Recht, bei Bedarf im laufenden Jahr unbürokratisch die Fördersätze erneut anzupassen: per Ermächtigungsverordnung, ohne langes Gesetzgebungsverfahren, nach Einigung unter sich. Denn bisher führte die Ankündigung einer Kürzung stets dazu, dass viele Bürger sich schnell noch eine Solaranlage zu den alten Konditionen sicherten. Weil sich das Verfahren hinzieht, dauert der Schlussverkauf stets Monate. Das heißt: Der Markt und das berechtigte Profitstreben Einzelner trafen immer auf ein Phänomen der parlamentarischen Demokratie – die lange Zeit bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes. Opfer dieses Konfliktes ist die Solidargemeinschaft, die 18 Milliarden Euro allein für die 2011 installierten Solaranlagen zahlen muss.

Es klingt paradox, aber bei der Solarförderung sollte gelten: Weniger Demokratie wagen! Die beiden sonst durchaus kritikwürdigen Minister Röttgen und Rösler schützen mit ihrem auf ein Jahr begrenzten Vorschlag unser System vor Missbrauch. Der Bundestag aber sollte rasch über beschleunigte Verfahren nachdenken, um seine Rechte wahrzunehmen.

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