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Alt geworden zu sein stellt an sich noch keine Leistung da, von der sich Sonderrechte ableiten lassen, meint unser Autor Matthias Kalle.

© dpa

Alt, unverschämt, ohne Respekt: Rüpelnde Rentner, benehmt euch!

Sie drängeln in der U-Bahn, ärgern Kellner im Lokal: Ältere Menschen benehmen sich mitunter so, als hätten sie Sonderrechte. Als bräuchten sie andere nicht mit Nachsicht, Rücksicht und Respekt zu behandeln.

Ich will eigentlich schon länger über ältere Menschen schreiben, aber dann dachte ich immer: nee, mach das nicht, das kommt dann gleich so komisch rüber. Außerdem habe ich vor älteren Menschen in der Regel eher Respekt – politisch stehe ich nämlich ganz woanders als der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, der 2003 mal gesagt hat: „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“

Ich halte sehr viel davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen. Darum geht es auch nicht. Es geht um Rüpelhaftigkeit. Es geht darum, dass ältere Menschen mitunter zur Rüpelhaftigkeit neigen.

Einmal fuhr ich mit der U-Bahn und wollte an einer Station – so wie einige andere auch – aussteigen. Auf dem Bahnsteig stand eine ältere Dame, die offensichtlich einsteigen wollte – die aber offenbar nicht viel Zeit hatte, denn kaum dass die Türen aufgingen, versuchte sie sich durch die Menschen zu drängen, die doch eigentlich aussteigen wollten. Sie tat das mit den Worten: „Erst einsteigen, dann aussteigen.“

Unser Kolumnist Matthias Kalle.
Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Das mag für vieles im Leben gelten – nicht aber für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, auf die ältere Menschen ja durchaus auch angewiesen sind. Dann aber sollten sie sich so verhalten, wie sie es von den anderen, jüngeren Mitbürgern auch erwarten: Mit Nachsicht, Rücksicht und, ja, auch mit Respekt. Alt geworden zu sein stellt an sich noch keine Leistung dar, von der sich Sonderrechte ableiten lassen.

Oder doch? Am Dienstag war ich Mittagessen bei so einem Mittagessenitaliener. Okay Pizza, fairer Preis, deshalb wohl auch immer bummsvoll. Ich saß sehr eng neben zwei Männern Anfang 60. Der eine war Niederländer, still, ruhig, er hörte zu was der andere, ein Deutscher, laut, so sagte. Der sagte allerhand über Griechenland („Die haben seit 2000 Jahren keine Steuern bezahlt!“), über Portugal („Das sind die nächsten! Oder Italien!“), über Bilanzfälschung („Wir wissen ja alle, wie das geht, aber...!“), über Syrien („Ich verstehe auch die Russen nicht!“) und irgendwann fragte er den stillen Niederländer, ob er noch einen Kaffee wolle. Der Kellner kam und der Mann bestellte: „Zwei Kapuhtjinios. Aber aufs Haus!“

Irre. Wusste ich nicht. Das man in einem Lokal direkt was „aufs Haus“ bestellen kann, ohne lange darauf zu warten, ob man jetzt eingeladen wird, oder nicht. Tatsächlich bekam der Mann seine Heißgetränke, offenbar musste er sie nicht bezahlen, ob dieses Verhalten beim Niederländer gut oder schlecht ankam, kann ich nicht sagen.

Ich fand das irgendwie nicht gut. Ich fand das sogar ziemlich unverschämt. Ich stellte mir vor, so eine Bestellung hätte ein 17-Jähriger aufgegeben, nicht im Anzug, sondern mit Schlabberjeans, Turnschuhen, möglicherweise mit Migrationshintergrund. Was wäre dann wohl los gewesen? Ein Aufschrei des Entsetzens! Das Abendland? Kurz vor dem Untergang! Und wären Kollegen dabei gewesen hätten, sie hätten geschrieben über die Verrohung der Sitten, der Jugend, der Tugend, der Moral! Ein Flegel, der sich durchs Leben schnorrt – pfui, Teufel!

Ich glaube, mir geht es irgendwie gar nicht darum, mich hier über ältere Menschen aufzuregen – ich rege mich ja eigentlich eh nie auf. Ich glaube, ich finde es einfach, dass man von manchen Menschen weniger erwartet als von anderen. Ich glaube, ich finde es am besten, wenn sich alle anständig benehmen würden, egal ob jung oder alt, Vorsitzender der Jungen Union oder Bundespräsident.

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