zum Hauptinhalt
Verhandlungen, Einigungen – aber auch Einigkeit? Die Koalition kämpft darum.

© dpa/Michael Kappeler

Schluss mit dem Ampel-Bashing: Die Koalition ist nicht so schlecht, wie sie gemacht wird

Lange haben Rot, Grün und Gelb über ihre Problempunkte getagt, gefühlt ewig lang. Die Urteile über gefällte Beschlüsse: fast nur kritisch. Dabei kann man das auch anders sehen.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wie haben sie sich über die Ampel hergemacht, Interessenverbände, die Opposition, Medien. Als hätte es sich ganz und gar nicht gelohnt, 30 Stunden miteinander zu ringen, um das Beste für das Land zusammenzubringen. Und ist das gerechtfertigt?

Nein, ist es nicht. Denn Politik ist kein Gesangverein Harmonie, und die Krisen, die zu bewältigen sind – ja, wer da nicht um den richtigen Weg ringt, streitet, hat schon verloren. Es ist doch nicht so, dass da einer, eine mit der einzig richtigen Lösung wäre. Koalition ist auch ein anderes Wort für Kompromiss.

Den haben Rot, Grün, Gelb gefunden. Und das klugerweise unter dem Vorbehalt, dass veränderte Weltlagen veränderte Beschlüsse zur Folge haben könnten. Auch das gehört zum politischen Handwerk.

Diese Sichtweise, die alleinige, dass gegeneinander aufgerechnet wird, wer was durchgesetzt hat; dass nur gefragt wird, wer wohl der Sieger der Veranstaltung ist – das ist unterkomplex. Überholt ist es außerdem. Das bringt nicht weiter.

Wo die einen sagen, das Glas sei halb leer, sagen die anderen, es sei halb voll. Richtig so. Man kann auch durchaus einmal die Haltung zu etwas verändern – und siehe, dann bleibt Positives haften. Das Positive bringt weiter. Vor allem, wenn es verstärkt wird, weiß der Psychologe.

Wenn schon die Regierung hadert, wie soll dann das Wahlvolk zufrieden sein? Es ist doch nicht ganz falsch, bei Lichte besehen, was Bundeskanzler Olaf Scholz sagt: dass der Stillstand überwunden sei. Er meint den früherer Jahre, konservativ geprägter, aber genauso gilt das für die aktuelle Regierung.

Der Fortschritt mag kleiner als gewünscht sein, aber er ist konkret. Da will beispielsweise die Ampel Planungsverfahren beschleunigen – gut so. Dass die Schiene hier Vorrang hat, ist auch gut, gleicht es doch die Liste an 144 Autobahnprojekten aus. Beides liegt fraglos im „überragenden öffentlichen Interesse“. Und Verwaltungsrecht hat eine dienende Funktion für die künftige Generation.

Oder die Lkw-Maut mit einem CO₂-Aufschlag: Geld aus der Maut wird dem Schienenverkehr aufhelfen. Fünf Milliarden Euro – nicht wenig, und der Einstieg in die 45, die die Bahn benötigt. Die Koalitionäre gehen immerhin daran, sie instand setzen zu wollen. Und: Der Maut-Beschluss soll auch dem Absatz elektrisch betriebener Fahrzeuge aufhelfen.

Fortschritt entlang der Autobahnen

Dass Solar-Anlagen und Windräder entlang deutscher Autobahnen stehen sollen – ja, das ist doch mal eine Idee! Und keine schlechte. Freuen kann sich der Bürger zudem darauf, dass die E-Mobilität durch Ladestationen an Tankstellen gefördert wird.

Dass das Klimaschutzgesetz aufgeweicht werde, wie die Opposition hämt und rügt, das kann man auch anders sehen. Es wird praktikabel gemacht, um die Klimaziele zu erreichen. Werden sie insgesamt, übersektoral, erreicht: gut. Wenn nicht, dann werden schon noch Maßnahmen ergriffen. Heißt: Der viel gescholtene Verkehrsminister wird doch seinen Teil leisten müssen. Das Entsetzen der Umweltverbände ist verfrüht.

Thema E-Fuels: Die können nicht schaden. Weil nichts schadet, was hilft, bestehende Verbrennerfahrzeuge klimaneutral zu betreiben, wo auch immer, im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr und bei den Pkw. Das ist nicht bloß ein Spleen der FDP. Aber ob es nicht zu teuer wird? Darin liegt nicht zuletzt eine Herausforderung für Industrie. Schlecht ist auch das nicht.

Zu guter Letzt: Heizungen. Es wird unverändert daran festgehalten, dass klimafreundliche Heizungen eingebaut werden müssen. Hier gilt das Jahr 2045. Aber es gibt zusätzlich das Versprechen, dass die Kosten für besonders belastete Haushalte finanziell abgefedert werden. Wie und wann? Die wird Koalition gewiss liefern, der Gesetzentwurf, nicht bloß ein Referentenentwurf, kommt. Die Ampel weiß ja selbst, dass sie sonst verloren ist. Denn, ganz einfach: Die Bürger werden sie sonst bestrafen. Und nicht mehr wählen.

Summa summarum: Ampel-Bashing ist zu einfach. Schon gar, weil die Aufgaben komplizierter sind. Die Koalition ist ja vielleicht doch nicht so schlecht, wie sie gemacht wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false