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Schulreform: Angst vorm Versagen

Eltern sind egoistisch. Sie denken in erster Linie an ihr Kind. Was denn auch sonst? Wenn es um die Zukunft der Kinder geht, verstehen Eltern deshalb keinen Spaß, sondern werden renitent. Das ist an sich auch gut so. Geht es aber konkret um Schulreformen, und das ist ein Grundproblem, steht der Elternwille meist gegen das Gemeinwohl.

Was der Gesellschaft als Ganzes womöglich hilft, etwa mehr soziale Durchmischung an höheren Schulen oder höhere Qualitätsstandards, verängstigt Eltern. Derzeit ist das in Hamburg gut zu beobachten, wo die Grünen in Koalition mit der CDU gegen den Widerstand des Bildungsbürgertums versuchen, eine Schulreform durchzusetzen, die, wie in Berlin, auf zwei Schulformen zielt. Wenn das Hamburger Bürgertum sich nicht überzeugen lässt, wird es Schwarz-Grün abwählen oder die CDU – in Angst vor ihrer Stammwählerschaft – wird das Experiment selbst beenden. Soweit sind wir in Berlin noch lange nicht, und es wäre im Interesse aller, würde es auch nicht so weit kommen. Wenn alle Beteiligten sich ehrlich machten, müsste es möglich sein, hinter den Ängsten, Sorgen und Widerständen, das Sinnvolle und Notwendige zu sehen. Zunächst ist es sinnvoll, dass es bald nicht nur in Berlin nur noch zwei Schulformen geben wird. Gemeinsames, längeres Lernen von unterschiedlich begabten Kindern halten die allermeisten Bildungsexperten für richtig.

Speziell für Berlin gelten aber noch andere Wahrheiten, die man zur Kenntnis nehmen muss, bevor man Vorschläge verdammt. Berlin hat zu viele durchschnittliche Schüler auf den Gymnasien. In Berlin gibt es nicht nur bis zur Note 2,7 noch eine Gymnasialempfehlung, es ist auch möglich, mit einer Hauptschulempfehlung aufs Gymnasium zu gehen. Man kann aber nicht mehr Qualität verlangen, wenn man sich für diese Qualität nicht auch mehr anstrengen muss.

Wenn es Berlin also ernst meint mit zwei Schulformen – die Sekundarschule, die Haupt- und Realschule vereint und auf der man auch das Abitur machen kann und das herkömmliche Gymnasium –, dann sind Reformen zwingend. Ein erschwerter Zugang zum Gymnasium gehört dazu, und die beginnende Hysterie auf den Hinweis des Bildungssenators, Thüringen würde beispielsweise einen Numerus Clausus von 2,0 haben, zeigt die Verlogenheit der Debatte. Alle Beteiligten, also auch die Eltern, wollen mehr Qualität in den Schulen, andererseits haben die Eltern große Angst davor, dass ihre Kinder eben diese neue Qualität nicht mehr erreichen und zurückbleiben. Auch diese Angst ist verständlich, schließlich herrscht in der globalisierten Gesellschaft leider auch in den Familien der Primat der Ökonomie und des absoluten Leistungsdankens. Das Bürgertum ist da besonders unentspannt. Man kann die Eltern verstehen, aber man muss sie und ihre Kinder auch schützen vor der Angst, das Kind, ja die Familie könnte versagen. Es gibt schon jetzt genügend Geschichten von Eltern, die trotzig sagen, wenn mein Kind einen Notendurchschnitt von 2,0 nicht erreicht, dann werden wir schon mit dem Lehrer reden, und dann wird er statt der 3 doch eine 2 in Mathe geben. Aber was ist so furchtbar daran, wenn das Kind nicht aufs Gymnasium geht, sondern auf der Sekundarschule mit mehr Selbstbewusstsein und Zeit das Abitur macht? Versagen tun alle nur dann, wenn wir versäumen, bereits in den Kitas und Grundschulen die Voraussetzungen zu legen, um sprachliche und soziale Kompetenzen auszubilden.

Wenn die Sekundarschule eine Chance haben soll, braucht sie auch Kinder, die dort Abitur machen. Und warum sollte nicht ein Kind, das auf der Sekundarschule ist, weil die Noten fürs Gymnasium noch nicht ausgereicht haben, später doch aufs Gymnasium wechseln können? Neben dem Notendurchschnitt, Bayern hat übrigens einen von 2,33, sollten deshalb weitere Kriterien für die Zulassung zum Gymnasium diskutiert werden: Probeunterricht, Vergleichsarbeiten, Aufnahmegespräche. Überhaupt sind Gespräche der Schlüssel für das Gelingen. Nicht zuletzt müssen deshalb – vor allem von den Eltern! – die Kinder gehört werden.

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