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Meinung: Schurken im Hinterhof

Es ist eine merkwürdige Meldung: Die Regierung in Bogotá erklärt den Friedensprozess in Kolumbien für beendet. Aber die Wahrheit ist: Einen wirklichen Friedensprozess gab es nie.

Es ist eine merkwürdige Meldung: Die Regierung in Bogotá erklärt den Friedensprozess in Kolumbien für beendet. Aber die Wahrheit ist: Einen wirklichen Friedensprozess gab es nie. Die andere Wahrheit lautet: Es herrscht seit über 30 Jahren Krieg in Kolumbien, es starben über 120 000 Menschen in diesem Krieg. Tendenz steigend. Und nun hat Kolumbiens Präsident Pastrana beschlossen, diese Wahrheit anzuerkennen und seine Konsequenz zu ziehen: Er bombardiert die so genannte entmilitarisierte Zone der größten kolumbianischen Guerilla, der "Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia" (Farc). Er erklärt sämtliche Abkommen mit der Guerilla für null und nichtig. Was bedeutet das? Warum nur ist kein Frieden in Kolumbien möglich? Und was haben die USA mit alledem zu tun?

Zunächst bedeutet Pastranas Entscheidung: Er gesteht kurz vor Ende seiner Amtszeit das Scheitern seiner Friedenspolitik ein. Er hat geglaubt, ein Frieden mit der Guerilla sei möglich. Er wollte es alleine schaffen, zunächst ohne fremde Hilfe. Dann hat er Geld gebraucht für eine Strategie, die er "Plan Kolumbien" nannte. 1,8 Milliarden Mark bekam er dafür von IWF, Weltbank, Japan, Spanien und Norwegen. 2,6 Milliarden Mark von den USA. Das Geld sollte eingesetzt werden, um den Drogenanbau zu verhindern und um die Drogenmafia zu entmachten. Die Hauptschuldigen für diesen Krieg.

Der Plan funktionierte aber nicht. Daran ist nicht der mangelnde Wille des Präsidenten schuld, sondern die Guerilla, die Drogenkartelle, die kriminelle Melange zwischen Paramilitärs und angeblich linken Gruppen. Die rechtsgerichteten Paramilitärs tun so, als wollten sie das Land vor der Guerilla schützen. Die Farc und die ELN, die zweite Guerilla des Landes, tun so, als hätten sie soziale Ziele und würden für die Armen kämpfen. Beide lügen. Beide entführen, erpressen, leben von Drogengeldern. Die Guerilla verfügt jeweils über mehrere tausend Mann unter Waffen. Die Kosten für den Unterhalt dieser Armeen gehen monatlich in die Millionen US-Dollar. Ähnlich groß ist der Finanzbedarf bei den Paramilitärs. Farc und ELN verdienten 1999 zwischen 600 und 980 Millionen Dollar durch Drogengelder und Erpressungen. Über 2000 Menschen werden jährlich entführt. Die Guerilla in Kolumbien ist ein riesiges Wirtschaftsunternehmen, das vom Krieg lebt - ohne Interesse am Frieden. Dieses Unternehmen hat zum Beispiel Kontakt zur IRA in Nordirland, hat Rückzugsgebiete in Venezuela.

Die USA haben die Gefahr als erste erkannt. Es war George W. Bush, der im Wahlkampf 2000 verkündete: "Kolumbien ist unser Kosovo." Was er damit meinte, war: Kolumbiens Instabilität, der Terror, könnte sich auf die ganze Region ausweiten und den USA und ihren wirtschaftlichen Interessen auf dem Kontinent schaden. Schon unter Clinton, viele Jahre vor dem 11. September 2001, hat Washington an einer neuen "Amerikapolitik" gebastelt. Bush hat sie fortgesetzt.

Erstmals hat seine Administration den Begriff "Amerikaner" auf alle Menschen auf dem Kontinent angewendet. Außenminister Powell betonte, die USA könnten das Leben eines jeden Amerikaners entscheidend verändern. Das Ziel, formulierte Bush, sei ein westlicher Erdteil - er meinte ganz Amerika - in Frieden und Wohlstand. Hinter der Charme-Offensive steckte zweierlei: die Vorbereitung der angestrebten Freihandelszone von Alaska bis nach Feuerland und der multilaterale Kampf gegen den Terror. Seit 1995 gibt es mehrere Sicherheitsgremien der Staaten Amerikas. Zahlreiche Militärübungen finden unter US-Kommando statt. Der kolumbianische Terror gilt als größte Gefahr auf dem Kontinent. Für die USA ist es deshalb nur logisch, dass sie Pastrana nun gedrängt haben, militärisch gegen die Guerilla vorzugehen. Washington hat Kolumbien dafür die nötigen Waffen geliefert.

Gab es wirklich keinen Weg zum Frieden? Es hätte einen geben können, wenn die internationale Gemeinschaft, wenn auch die Europäer ein strategisches Interesse an Kolumbien formuliert und einen Vermittler von hohem politischen Rang benannt hätten. Aber Europa hat einmal mehr den USA die Entscheidung überlassen.

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