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Senat: Trotzpolitik

Von Biermann bis zur Umweltzone: Der Berliner Senat regierte in diesem Jahr bisweilen autoritär. Die Kosten tragen meistens die anderen.

Da half alle Sturheit der Umweltsenatorin auch nicht mehr. Wer im Januar in Berlins Innenstadt ohne Umweltplakette angetroffen wird, wird nicht bestraft. Es brauchte aber erst die massiven Bedenken der Berliner Bezirke und des Polizeipräsidenten, um die Senatorin zum Aufschub zu zwingen. Das ist auch das Eingeständnis, dass doch nicht alles so gut vorbereitet ist, wie Senatorin Katrin Lompscher meint. Unbeeindruckt hatte sie monatelang auf offene Fragen, die zu hohen Preise für Ausnahmegenehmigungen, die Existenzsorgen von Handwerkern reagiert. Warum müssen Ausnahmegenehmigungen gerade im armen Berlin achtmal so teuer sein wie im reicheren Köln? Warum wurde Berlinern mit Strafe gedroht, falls sie sich zu spät eine Plakette besorgen, die Verwaltung aber versäumte, Regelungen etwa für US-Fahrzeuge zu schaffen. Der Senatorin war auch egal, wie Touristen an Wochenenden an eine Plakette kommen können.

Der Aufschub für die Autofahrer ist deswegen nur die eine Seite, die andere ist das wachsende Unbehagen über ein autoritäres Politikverständnis, das in der zweiten Auflage der rot-roten Koalition spürbar wird. Es hat Anflüge einer Erziehungsdiktatur, mit der eine vernünftige und unvermeidbare Sache wie die Umweltzone exekutiert wird. Zufall, dass es gerade die Senatorin von der Linkspartei ist, die offenbar nicht begreift, dass zu einer demokratischen Kultur auch der Widerspruch der Regierten gehört? Dass es guter Stil ist, auch auf die Einwände wie der Industrie- und Handelskammer zu hören? Vor allem, wenn nassforsch die eigenen Fehler und Versäumnisse überspielt werden. Die stille Verweigerung der Autofahrer bei der Umweltzone hat sich die Senatorin deswegen selbst zuzuschreiben. Auch beim Rauchverbot werden Verstöße von Gastronomen erst mit halbjähriger Karenzzeit bestraft, weil das Gesetz zu spät fertig wurde, um notwendige Umbauten zum 1. Januar zu schaffen.

Politiker, die Überzeugungen haben und diese vertreten, ohne Fähnchen im unsteten Wind der Umfragen zu sein, kann dies Land durchaus gebrauchen. Wenn allerdings der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ungeachtet aller Argumente und eines Volksbegehrens auf der Schließung des Flughafens Tempelhof zum Herbst 2008 beharrt, geht es nicht nur um persönliche Standhaftigkeit. Es geht um den Respekt vor einem demokratischen Verfahren, und es geht um viel Geld. Nichts spräche dagegen, Tempelhof bis 2011, bis zum Start des Großflughafens, in Betrieb zu lassen. Die Bundesregierung hat angeboten, bis dahin die Verluste zu tragen – Wowereit hat das abgelehnt: Nun muss Berlin selber zahlen. Dabei hat der Senat nicht die Spur eines Konzepts für den Flughafen. Politisch weise ist das nicht; wohl eher trotzig.

Es lohnte ein Blick zurück. Anfang 2007 ignorierte Wowereit bei der Ehrenbürgerwürde für Wolf Biermann wochenlang das Parlament – bis selbst in der eigenen Fraktion ein Aufstand drohte. Wer meint, sehr fest im Sattel zu sitzen, wird leicht hoffärtig. So kann man die Opposition auch stark machen.

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