zum Hauptinhalt

Staat und NSU: Im Härtetest

Mit der Anklage gegen Beate Zschäpe hat sich der Rechtsstaat weit aus dem Fenster gelehnt. Ob er genug Beweisen hat, um die Anklagepunkte zu belegen, ist fraglich.

Von Frank Jansen

Die Bundesanwaltschaft hat im Fall NSU eine Anklage gegen Beate Zschäpe vorgelegt, die mit einem Maximum an Vorwürfen, bis hin zur Mittäterschaft bei zehnfachem Mord, offenbar abschreckend wirken soll. Auch wenn der Prozess noch gar nicht begonnen hat, ist das Signal unübersehbar: einem Rechtsextremisten, der jetzt noch die Idee verfolgt, in den bewaffneten Kampf einzusteigen, droht wie nun Zschäpe ein Leben hinter Gittern bis ins Alter.

Es gibt noch mehr Hinweise darauf, dass der Staat nun härter gegen „rechts“ vorgeht. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch ein Berufsverbot gegen einen öffentlich bestellten, NPD-nahen Schornsteinfeger aus Sachsen-Anhalt verhängt, weil er die Mörder des 1922 erschossenen, jüdischen Reichsaußenministers Walther Rathenau geehrt hatte. Berufsverbote sind ein Instrument aus den 1970er Jahren, das der Rechtsstaat kaum noch nutzt. Da wird eine Person für ihre politische Gesinnung gestraft. Das erscheint im Falle des Schornsteinfegers ausnahmsweise nachvollziehbar, weil dem Mann der Zutritt in Privatwohnungen gestattet ist. Es ist keinem Demokraten zuzumuten, einem Extremisten, der auch noch Mörder feiert, die Tür zu öffnen. Aber der Fall taugt nicht dazu, eine Renaissance des überholten Berufsverbots zu rechtfertigen.

Übertreibt der Rechtsstaat im Kampf gegen „rechts“? Muss nun nachgeholt werden, was bei der Suche nach Zschäpe und ihren Komplizen versäumt wurde? Erst war der Staat lasch, jetzt wird er brachial?

Es fällt auf, dass der Staat bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus zumindest punktuell testet, wie weit er gehen kann. Die Bundesanwaltschaft übertrifft mit ihrer Anklage bei Weitem die Vorwürfe, mit denen alle drei Monate der Bundesgerichtshof die Fortdauer der Untersuchungshaft von Zschäpe begründet hat. Das wirkt mutig, aber angesichts vieler offener Fragen zu den Taten des NSU auch riskant. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Teilen der Anklage die Beweise zu dünn sind.

Die zunehmende Härte gegen Rechtsextremisten bekommt zudem eine Eigendynamik mit womöglich gravierenden Folgen.

Der Eifer, mit dem einige Ministerpräsidenten auf ein Verbotsverfahren gegen die NPD drängen, birgt die unkalkulierbare Gefahr einer erneuten peinlichen Niederlage. Die Partei ist abstoßend und tritt auch so auf, keine Frage. Doch die Befürworter eines Verfahrens verkennen, dass sie mit der Keule eines Riesen einen Zwerg erschlagen wollen.

Die NPD ist nirgendwo in der Lage, die demokratische Grundordnung zu erschüttern. Sie nervt, vor allem in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen, doch gleichzeitig demontiert sie sich selbst. Im Westen ist sie nur eine Null-Komma-x-Truppe, auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin geht es bergab. Außerdem hatte die Partei an sich mit dem Terror der NSU nichts zu tun.

Ja, der Staat soll Neonazis bekämpfen. Aber ohne Abenteuer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false