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Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

© dpa

Steuersenkungen: Politik nach Koalitionsart

Nun soll es also doch Steuersenkungen geben. Allein der politische Stil macht diese Ankündigung fast zwangsläufig kontraproduktiv. Sicher ist, dass diese Art des Politikmachens den Boden abträgt, auf dem die schwarz-gelbe Koalition steht.

Das Interview des Finanzministers war gerade gedruckt. Und konnte man es anders denn als Hinweis darauf lesen, dass Steuererleichterungen aus Gründen der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte fürs nächste – und vielleicht auch fürs übernächste – nicht auf der Tagesordnung stehen? Aber da hatte die Wirklichkeit den vernünftigen Schluss schon überholt, sozusagen aus dem spitzen Winkel eines Wochenendes heraus. Denn am Sonntag überraschten die Parteivorsitzenden der Koalition die Öffentlichkeit mit der Übereinkunft, dass es nun doch Steuersenkungen geben werde – zwar erst 2013, in unbekannter Höhe, aber immerhin. Die gute Botschaft soll bereits an diesem Mittwoch zusammen mit dem Beschluss des Bundeskabinetts über den künftigen Haushalt 2012 abgenickt werden. Ein Resultat der Überlegungen über eine gerechte Besteuerung? Eine – vielleicht überfällige – Geste gegenüber dem Bürger? Nein, Politik nach Koalitionsart. Man mag gar nicht daran denken, dass ein gewisser Max Weber, der sonst bei Politikern in hohem Ansehen steht, Politik als das geduldige Bohren dicker Bretter bezeichnet hat.

Außerdem zeigt die Sonntagsentscheidung, dass die Regel, Politik sei auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts, durchaus nach hinten losgehen kann. Natürlich ist es des Überlegens wert, ob die „kalte Progression“, der „Mittelstandsbauch“ und wie all die anderen Problemkinder der Steuerdiskussion heißen, beseitigt werden können. Auch spricht manches dafür, die kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten. Aber angesichts der Lage, in der sich Angela Merkels Regierung befindet, denkt kaum noch jemand darüber nach, ob die Ankündigung diesen ehrenwerten Zwecken gerecht wird. Jeder weiß, jeder glaubt es zu wissen: Der FDP in ihrem Überlebenskampf soll, ja, muss ein Zugeständnis gemacht werden, die Endlosdebatte beendet werden, mit der sich beide, FDP und Union, selbst zu erdrosseln drohen. Noch eine Spruchweisheit, die ihren Platz in der Politik hat: Man spürt die Absicht und ist verstimmt.

Ob klug oder nicht, ob berechtigt oder von Übel, allein der politische Stil rückt diese Ankündigung – aus den Zwängen des Augenblicks heraus getroffen, unübersehbar taktisch munitioniert – ins Fragwürdige und macht sie fast zwangsläufig kontraproduktiv. Am Ende wird die Textexegese vermutlich ergeben, dass die Äußerungen von Finanzminister und FDP sich keineswegs ausschließen, außerdem ist es bis zum Jahr 2013 noch lange hin, da tritt sich manches fest. Bloß nützt das nichts. Denn das Manöver passt viel zu gut zu dem Eindruck der hastigen, aus dem Moment und der parteipolitischen Konstellation heraus agierenden Politik der Koalition. Er klebt mittlerweile unablösbar an ihr wie ein Kaugummi.

Ob die Freidemokraten von der Blitzoperation wirklich profitieren? Ob damit der Streitbazillus, der sich seit langem in der Regierung eingenistet hat, endlich vertrieben ist? Kann sein, kann auch nicht sein. Aber sicher ist, dass diese Art des Politikmachens den Boden abträgt, auf dem die schwarz-gelbe Koalition steht. Oder anders ausgedrückt: dass ihre Wenden und Kehren, von der Libyenenthaltung bis zur Energiewende, in erster Linie nicht mehr als Versuche der Problemlösung aufgenommen werden, sondern als kopflose Reaktion auf Meinungs- und Stimmungsströmungen. Das aber heißt Raubbau zu treiben mit dem wichtigsten Stoff der Politik – mit Vertrauen und Verlässlichkeit. Von der Substanz der Parteien ganz zu schweigen.

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