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Meinung: „Strafen sind nicht nur …

… aus ästhetischen Gründen da.“ Er ist eine Idealbesetzung für europäische Spitzenposten: polyglott, in den Kulturen Frankreichs und Deutschlands, der beiden Mächte, gegen die in der EU nichts geht, gleichermaßen zuhause; ein begnadeter Vermittler, den fast nichts aus der Ruhe bringt; und er vertritt ein so kleines Land, dass nationaler Egoismus ihn kaum hindert, über den Vaterländern zu schweben.

… aus ästhetischen Gründen da.“

Er ist eine Idealbesetzung für europäische Spitzenposten: polyglott, in den Kulturen Frankreichs und Deutschlands, der beiden Mächte, gegen die in der EU nichts geht, gleichermaßen zuhause; ein begnadeter Vermittler, den fast nichts aus der Ruhe bringt; und er vertritt ein so kleines Land, dass nationaler Egoismus ihn kaum hindert, über den Vaterländern zu schweben. Wer sonst kommt so oft in den Medien mehrerer EU-Länder in deren Landessprache zu Wort – hat also eine europäische Öffentlichkeit?

Die meisten Europapolitiker hätten Jean-Claude Juncker gern als Kommissionspräsident gesehen. Aber der 50-jährige Christdemokrat hatte frühzeitig Nein gesagt: Er habe seinen Luxemburgern versprochen, ihr Regierungschef zu bleiben, wenn sie ihn nach neun Amtsjahren (und zuvor weiteren zehn als Superminister für Arbeit und Finanzen) nochmals wählten – damals im Juni, wenige Tage vor dem EU-Gipfel, der den Kommissionspräsidenten nominierte. Oder könnte es sein, dass der schlaue Fuchs nach 20 Jahren EU-Erfahrung – 1985 leitete er seinen ersten europäischen Ministerrat – kalkulierte, als einer der Staats- und Regierungschefs habe er mehr Einfluss und Manövrierraum denn als Kommissionspräsident, der es allen Recht machen muss?

Mit Jahresbeginn wird der Sohn eines Stahlarbeiters gleich doppelt Präsident. Für sechs Monate übernimmt er turnusmäßig den Vorsitz des Europäischen Rats (der Staats- und Regierungschefs) und, weil er zugleich Finanzminister des Großherzogtums ist, auch den der Eurogruppe. So klein sein Land – 2586 Quadratkilometer, ein Zehntel Brandenburgs, 440 000 Einwohner –, so groß die Erwartungen: Juncker soll die Reform des Stabilitätspakts und den Streit um den Haushalt der nächsten EU-Finanzperiode 2007-2013 moderieren. In Interviews gibt er sich sowohl prinzipientreu gegen eine Aufweichung der Kriterien – Defizitsünder müssen mit einem Verfahren rechnen, „Strafen sind nicht nur aus ästhetischen Gründen da“ – als auch kompromissbereit: Europa brauche einen Pakt, der „in fetten Jahren stärker greift und in mageren mehr Spielraum lässt“.

Das EU-Budget möchte die Kommission deutlich erhöhen, um Hilfen für die Neumitglieder aus dem Osten ohne große Einschnitte bei den bisherigen Empfängern zu finanzieren. Nettozahler wie Deutschland fordern eine stärkere Begrenzung. Wie gut, dass Juncker in Luxemburg so wenig Probleme hat; da bleibt ihm mehr Zeit für Europa.

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