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Voigt hatte 2011 den Posten des Parteichefs an Apfel verloren. Nun könnte er zurückkehren.

© dpa

Überraschendes Comeback: Ex-Parteichef Udo Voigt führt die NPD in die Europawahl

Überraschend kehrt Voigt ins Zentrum der NPD zurück. Er soll die Rechtsextremen als Spitzenkandidat in die Europawahl führen. Gleichzeitig hat er einen nicht geringen Anteil daran, dass die NPD mit einem Verbotsverfahren konfrontiert ist.

Von Frank Jansen

Was sich am Sonnabend im thüringischen Kirchheim abgespielt hat, dürfte die Krise der NPD zusätzlich verschärfen. Die Delegierten des Parteitags zur Europawahl ließen den amtierenden Vorsitzenden, Udo Pastörs, bei der Wahl zum Spitzenkandidaten durchfallen – und hievten einen Mann aus der Vergangenheit, Ex-Parteichef Udo Voigt, auf Platz eins der Liste. Voigt bekam 93 Stimmen, Pastörs nur 71. Das Comeback des 61-Jahre alten Voigt beschert der NPD nun einen internen Dauerwahlkampf um den Chefposten. Der knurrige Voigt, Typ alter Leitwolf, wird nun wahrscheinlich versuchen, auch in der Partei wieder die Nummer eins zu werden und den gleichaltrigen, ähnlich fanatischen Pastörs zu verdrängen. Darüber entscheiden soll, wohl im Herbst, der nächste Parteitag.

Im Dezember erst hatte der NPD-Vorstand Pastörs als amtierenden Vorsitzenden benannt. Pastörs, der seit 2006 die Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern führt, folgte auf Holger Apfel, der vor dem Hintergrund einer Affäre um angebliche sexuelle Belästigung junger Rechter aufgegeben hatte. Der ehrgeizige Pastörs sah sich endlich am Ziel, machte aber womöglich einen entscheidenden Fehler. Als sich im Dezember zunächst das Parteipräsidium zur Sitzung nach dem Rücktritt Apfels traf, holte Pastörs seinen Rivalen Voigt dazu, obwohl der in der Führung der Bundespartei seit der Abwahl vom Vorsitz Ende 2011 nicht mehr präsent ist. Für die NPD-Basis war das offenbar ein Signal: der Alte ist zurück.

Sollte die NPD im Mai den Einzug ins Europaparlament schaffen, würde sie vornehmlich von Voigt repräsentiert. Ob Voigt und vielleicht ein oder zwei Mitstreiter den Gang nach Straßburg antreten können, hängt allerdings davon ab, ob das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde annulliert.

Geldprobleme und Mitgliederschrumpfen

Auch ein solcher Mini-Erfolg würde jedoch nichts daran ändern, dass die Partei die größte Krise in ihrer 50-jährigen Existenz erlebt. Die NPD hat große Geldprobleme, die Zahl der Mitglieder ist auf 5500 gesunken und im Dezember hat der Bundesrat beim Verfassungsgericht einen Verbotsantrag eingereicht. Der Niedergang der NPD hängt auch mit Voigt zusammen. Im Verbotsantrag taucht sein Name etwa 30 Mal auf. Der frühere Hauptmann der Bundeswehr hatte nach seiner Wahl zum Parteichef 1996 die NPD noch weiter nach rechtsaußen geführt. Gleichzeitig wurde der Ruf nach einem Verbot lauter.

Im Jahr 2003 überstand die Partei das erste Verfahren, die Karlsruher Richter stellten es wegen der V-Leute des Verfassungsschutzes in NPD-Vorständen ein. Voigt konnte im Saal des Bundesverfassungsgerichts jubeln und bekam noch dort von einem Funktionär das goldene Parteiabzeichen ans Revers geheftet. Aber in seiner rabiaten Art lieferte Voigt auch weiter Argumente, die NPD doch noch verbieten zu lassen. So taucht im Antrag des Bundesrates gleich zu Beginn das berüchtigte Plakat mit der Parole „GAS geben!“ auf.

„Berater“ für das Verbotsverfahren

Voigt warb da in Motorradkluft für sich zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses im September 2011. Ihm gelang allerdings nur der erneute Einzug in die Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick, wo er bereits mit provokanten Sprüchen aufgefallen war. Bei einer Sitzung im März 2010 verherrlichte er die Waffen-SS. Dafür und wegen eines rassistischen Werbespots verurteilte das Berliner Landgericht im Oktober 2012 Voigt zu zehn Monaten Haft auf Bewährung.  

Mit dem rüden Gehabe beraubt sich die NPD jeder Aussicht, einmal ähnlich erfolgreich zu werden wie rechtspopulistische oder rechtsextremistische Parteien in den Nachbarländern der Bundesrepublik. Dem NPD-Volk war es meistens recht oder egal, nur beim Parteitag 2011 wollten die Mehrheit der Delegierten doch ein neues Gesicht an der Spitze. Voigt musste ausgerechnet seinem politischen Ziehsohn Holger Apfel weichen, der eine „seriöse Radikalität“ propagierte. Aber Voigt gab nicht auf.

Er wurde Vizechef der Berliner NPD, er schrieb ein Buch, er tourte mit dem Werk durch die regionalen Verbände der Partei, er diente sich dem Vorstand als „Berater“ für das Verbotsverfahren an. So sammelte er wieder Anhänger, er machte Stimmung gegen Apfel und traute sich jetzt auch, gegen Pastörs bei der Wahl zur Spitzenkandidatur für das Europaparlament anzutreten. Der Preis für Voigts Erfolg könnte aus Sicht der NPD allerdings hoch sein. Die Partei ist stärker denn je zerrissen. Außerdem ist mit Voigt keine Öffnung für neue Wählerschichten in Sicht. So könnte er der Mann sein, der die NPD in den Abgrund führt – bei den vielen Wahlen in diesem Jahr und beim Verbotsverfahren in jenem Saal des Bundesverfassungsgerichts, den Voigt bereits kennt.

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