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Platzecks Versöhnungsoffensive: Versöhnen? Mit wem? Warum?

Von Peter TiedeEs gehört schon eine ganze Portion Mut dazu, sich, wie nun Brandenburgs Regierungs- und SPD-Chef Matthias Platzeck, ausgerechnet zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hinzustellen und an das wiedervereinigte Volk zu appellieren, sich zu versöhnen, auch an die Täter von einst zu denken und im Westen nicht immer gleich reflexartig aufzukreischen, sobald sich im Osten mal die SPD der Linken nähert.

Von Peter Tiede

Es gehört schon eine ganze Portion Mut dazu, sich, wie nun Brandenburgs Regierungs- und SPD-Chef Matthias Platzeck, ausgerechnet zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hinzustellen und an das wiedervereinigte Volk zu appellieren, sich zu versöhnen, auch an die Täter von einst zu denken und im Westen nicht immer gleich reflexartig aufzukreischen, sobald sich im Osten mal die SPD der Linken nähert. Im aktuellen „Spiegel“ schreibt er: „Zwei Jahrzehnte nach dem revolutionären Umbruch in der DDR müssen wir in Deutschland endlich anfangen, es mit dem überfälligen Prozess der Versöhnung wirklich ernst zu meinen“ (siehe Wortlaut unten). Mit der SED und ihren einstigen Mitgliedern, mit den Tätern, den Mitläufern, denen, die es ehrlich meinten sich aber ahnend täuschen ließen?

Leider, und damit fängt das Unheil an, schreibt Platzeck eben nicht klar, wer sich hier mit wem versöhnen sollte – und auch nicht warum und worüber. Ja er belegt nicht einmal, dass es da irgendwo, über den Osten verteilt, eine Gruppe gibt, der nicht vergeben worden ist, der nun die Hand gereicht werden sollte. Platzeck behauptet das einfach.

Sein zentraler Irrtum liegt aber wohl in einer anderen Aussage: „Der seit 1990 vereinigten Bundesrepublik ist zwar eine bemerkenswerte, richtige und bessere Aufarbeitungsleistung gelungen – eine vergleichbare Integrationsleistung bis heute jedoch nicht.“ Also, wenn dem Osten irgend etwas gelungen ist neben einem beachtlichen Wiederaufbau, einer einzigartigen Neuorientierung fast der gesamten Bevölkerung und neben der Etablierung – auch gelebter – demokratischer Strukturen, dann ist es eben gerade doch: eine enorme Integrationsleistung. Oder wo sind denn die Heerscharen von – tatsächlich – Ausgegrenzten?

Was dem Osten aber nicht gelungen ist, ist das, was Platzeck da so nonchalant als erreicht hinschreibt: Eine umfassende Aufarbeitungsleistung. Die hat nun gerade der Osten nicht vollständig für sich selbst hinbekommen. Platzeck macht den Fehler, den so viele Ostdeutsche begehen: Er vergleicht den Osten mit dem Westen. Die alte DDR mit der damals neuen BRD. Doch – und darin hätte in den vergangenen 20 Jahren eben die große Stärke des Ostens, der Ostdeutschen bestehen können: Die DDR gehört von den Ostdeutschen erst einmal für sich allein aufgearbeitet. Dort wo sie nur mit dem Westen zu verstehen ist, gehört er rein. Aber wenn es um das System, die Unfreiheit, die Täter, die Mittäter und die Mitläufer, verbogene Biografien, ausgelöschte Leben geht, gehört die DDR für sich allein betrachtet. Mit den Erkenntnissen aus dieser inneren Forschung ließe es sich heute einfacher diskutieren. Diese Freiheit haben sich aber noch zu wenige Ostdeutsche genommen.

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