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Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit".

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Vier Fragen an Josef Joffe: "Assange hat klar gesagt, was sein Ziel ist"

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über Merkel in Europa, die Kriminalisierung von Assange und Wikileaks, die Wehrpflicht und die deutsche Außenpolitik.

Euro-Krise, Euro-Gipfel: Ist Angela Merkel eine gute Europäerin?

Was wäre denn eine gute Europäerin? Eine, die zahlt und zahlt, ohne die PIGS (Portugal, Irland, Griechenland, Spanien) an ihre Verantwortung zu erinnern? Nicht die Deutschen haben die Krise erzeugt, sondern die PIGS mit ihrem verschwenderischen Lebenswandel und, wie Hellas, mit gefälschten Büchern. Dieser Euro kann nicht überleben, wenn die einen Haushaltsdisziplin üben, die anderen von Schulden leben. Es gilt also zu fördern und fordern. Dass die schwatzende Klasse der Kanzlerin den Druck auf die PIGS verübelt, zeugt von Kurzsicht. Gerade wer ein guter Europäer ist, muss aufs gute Wirtschaften bestehen. Aber eines ist mittelfristig klar: Bevor die größte Währungskrise aller Zeiten ausbricht, werden die Deutschen als Größte und Stärkste den größten Beitrag für die Rettung leisten.

Wird Wikileaks kriminalisiert, und wenn ja: Ist das richtig?

Die Kriminalisierung scheint unter den bestehenden Gesetzen der USA nicht so einfach zu sein; sonst hätte Washington längst die Auslieferung von Assange beantragt, statt den Schweden das Geschäft mit dieser dubiosen Anklage wg. Vergewaltigung zu überlassen. Andererseits: Assange hat klar gesagt, was sein Ziel ist, nämlich den amerikanischen Staat zu schwächen, indem er ihn zwingt, sich nach außen und innen abzukapseln und so zu verdummen. Das ist Krieg mit anderen Mitteln, was kein Staat hinnehmen kann. Assange ist eine Ein-Mann-Agentur des „regime change“. Das fand der Rest der Welt bei George W. nicht gut, das sollten wir auch nicht Assange erlauben. Ein demokratischer Verfassungsstaat darf sich mit seinen legitimen Mitteln wehren.

Die Wehrpflicht ist praktisch abgeschafft, trauern Sie dem Staatsbürger in Uniform nach?

Der SiU war die richtige Reaktion auf Reichswehr und Wehrmacht. Seeckts Truppe war ein Staat im Staat, ein antidemokratischer, der auch eine eigene Außenpolitik (geheime Aufrüstung in Russland) betrieb. Die Wehrmacht war bis auf die Verschwörer des 20. Julis ein williges Instrument in Hitlers Händen. Diese Vergleiche ziehen nicht mehr. Die Bundeswehr ist fest in der Hand der gewählten Zivilisten, die Jungs und Mädels sind in der liberal-demokratischen Tradition der Bundesrepublik verwurzelt. Andererseits war die Wehrpflicht zur Absurdität verkommen, weil nur noch ein Bruchteil der Altersgruppe gezogen wurde. Die Aussetzung ist eine späte Verbeugung vor der Wirklichkeit.

Ein Wort zur deutschen Außenpolitik...

Diese Merkel muss man sich merken: „Niemand in Europa wird alleingelassen, niemand in Europa wird fallen gelassen.“ Das ist das beste Wort zur Euro-Krise.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“.

Die Fragen stellte Malte Lehming.

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