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WAHLKAMPF 2013: Merkels Spiel beginnt von vorn

Warum die Kanzlerin sich nie festlegen will.

Hat sie jemand gesehen? Sonntagabend zum Beispiel, als ihre Schwesterpartei in Bayern so fulminant abgeschnitten hat? Oder am Tag danach? Ist Angela Merkel, die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, abgetaucht? Nein, natürlich nicht, wenn schon, dann schwebt sie ja über den Dingen. Und Dinge gibt es in dieser letzten Wahlkampfwoche so einige. Vor allem welche, die sie selbst betreffen – ihre Koalition zum Beispiel. Die beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung, wie sie selbst noch vor wenigen Wochen sagte, Schwarz-Gelb, die Traumhochzeit, das Wunschbündnis. Es steht eine Woche vor der Bundestagswahl vor dem Aus.

Die FDP ist in Bayern krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Jetzt beginnt das große Zittern bei den Liberalen. Sie hoffen nicht nur auf einen Mitleidsbonus, sie buhlen ganz offen im Lager von Angela Merkel um Zweitstimmen. Ihr Generalsekretär Hermann Gröhe wehrt sich tapfer gegen das liberale Stalking. Aber Merkel?

Sie weihte am Montag einen Wahlkampfbus ein. Am Wahlabend selbst kein Wort von ihr zum Ausgang der Bayern-Wahl. Sie war nicht mal im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale. Im Kanzleramt soll sie gewesen sein. Auch am Montag gab es keine Pressekonferenz nach der Bundesvorstandssitzung. Dafür aber Wahlkampfauftritte am Abend in Niedersachsen und Brandenburg. Fragen muss sie dort nicht fürchten. Sie kann ihr Programm abspulen – jenseits der Debatten. Nun gibt es formale Gründe, warum sie schweigt: Handelt es sich ja nicht um einen CDU-Erfolg in Bayern, sondern einen der CSU. Einen CDU-Wahlsieger kann sie also auch nicht präsentieren. Ihre Partei hat über Gröhe gratuliert und den politischen Erfolg aus CDU-Perspektive eingeordnet. So weit, so formal. Es bleibt aber dabei, dass mal wieder ihr Schweigen am deutlichsten wahrnehmbar ist – nicht ihr Reden oder Handeln. Sie versucht erneut, mit den aktuellen politischen Debatten nichts zu tun zu haben.

Es ist natürlich sinnlos, genau das von einer Kanzlerin zu fordern, die nichts mehr scheut, als Farbe zu bekennen. Warum sollte sie auch, bringt es ihr doch nichts als Ärger. Zu beobachten derzeit im unionsinternen Streit über die Pkw-Maut. Man fährt einfach nicht gut mit Festlegungen. Und so duckt sich Merkel jetzt auch bei der Frage weg, was sie nun eigentlich selbst will nach der Wahl, wofür sie kämpft. Setzt sie sich noch für Schwarz-Gelb ein? Oder ist das auch nur noch eine Chimäre – so wie Rot-Grün. Dort wird das Bündnis auch nur noch vor sich hergetragen, um nicht Schlagzeilen zu produzieren wie „SPD schreibt Rot-Grün ab“. Dabei passiert genau das längst. Die Reise geht in Richtung große Koalition. Offen sagen will und darf das keiner, obwohl es für beide Parteien eine Win-win-Situation wäre. Merkel bliebe vermutlich Kanzlerin, die SPD hätte zumindest ein Minimalziel erreicht und wäre wieder in der Regierung. Und in der Bevölkerung gilt dieses Bündnis auch noch als sehr beliebt.

Merkel denkt und agiert aber wieder vom Ende her und das ist bekanntlich trotz aller Umfragen und Deutungen offen. Deshalb schweigt sie lieber zu den wirklich interessanten Fragen. Das ist natürlich strategisch sinnvoll und auch wahnsinnig klug. Aber es ist eben manchmal auch zum Verzweifeln. Man würde sie gerne schütteln, rütteln und sie anfauchen, „jetzt sag doch mal, was du denkst“. Man wünscht sich, dass Frau Merkel einmal bekennt, wo sie steht, was sie will. Will sie nun ihre Wunschkoalition und setzt sich auch dafür ein? Oder will sie sie nicht? Oder ist Schwarz-Gelb schon gar nicht mehr ihr Wunsch? Lieber zurück in den sozialdemokratischen Schoß der großen Koalition? Oder doch mal mit den Grünen reden? Aber klar, welch eine naive Vorstellung, so etwas erfahren zu wollen. Nicht das Reden ist Gold, sondern das Schweigen. Das wird, vermutlich, bei Merkel wieder belohnt. Sie hat gute Erfahrungen damit gemacht.

Aber die Strategie ist nicht ohne Risiko. Dann nämlich, wenn jene, denen es nicht egal ist, ob nun Schwarz-Gelb regiert oder Schwarz-Rot, anfangen, Fragen zu stellen. Wenn sie vielleicht gar eine Fingerzeig der Parteichefin wollen. Dann wird die Strategie zum Problem. Aber bis es so weit ist, hat Merkel das Ende, den Wahlabend, längst erreicht. Und dann beginnt das Spiel wieder von vorn.

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