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Meinung: Was aus der Würde wurde

Der Intrigenstadel hat einen Bundespräsidenten nominiert, den keiner kennt

Wir sind das Volk. Auf die Auswahl unseres höchsten Repräsentanten haben wir allerdings keinerlei Einfluss. In der Monarchie wirst du König, nur weil du das Kind des alten Königs bist. In der deutschen Republik wirst du Präsident, also Ersatzkönig, nur weil du in das persönliche Interessenkoordinatensystem von Angela Merkel passt. Merkophilie ist zurzeit die wichtigste Qualifikation.

Wenn vom Bundespräsidenten die Rede ist, fällt fast immer das Wort von der „Würde des Amtes“. Der Präsident hat keine Macht, er hat nur Würde. Der Präsident vertritt den Mainstream der jeweiligen Zeit, er löst sich im Amt ein wenig von der Partei, aus der er kommt. Wenn er sich in einem kontroversen Thema eindeutig festlegt, dann ist das jedes Mal ein Ereignis. Der Präsident besitzt Würde, weil er ein verdienter Veteran ist wie Johannes Rau, oder weil er für eine Neuorientierung steht wie Theodor Heuss und Gustav Heinemann oder weil er redet wie Richard von Weizsäcker. Der Präsident ist eine Art Gesamtpolitiker. Er verkörpert die Republik und die politische Klasse und den geistigen Zustand, in dem beide gerade sind.

Der Präsident ist staatliche Identifikationsfigur – deswegen kann es kein Nobody sein. Sicher lässt sich ein Casting vorstellen, bei dem bundesweit, wie in „Deutschland sucht den Superstar“, eine Person gefunden wird, die alles kann, was ein Präsident können sollte. Aber das geht eben nicht, weil ein Präsident für mehr stehen soll als für ein paar Fähigkeiten. Ein Casting, das ginge auch nicht beim SPD-Ehrenvorsitzenden, oder beim Papst. Wenn aber die Würde nicht da ist, wird der Präsident zur Lachnummer.

Vielleicht macht Horst Köhler den „Job“, wie er es genannt hat, gut. Fest steht, dass sich jetzt erst einmal viele im Volk in ihren Vorurteilen über das politische Geschäft bestätigt fühlen wie lange nicht mehr. Wen beim Anblick dieses Intrigenstadels nicht Ekelgefühle packen, dem graust es vor gar nichts mehr. Wenn ein Signal von der Nominierung Horst Köhlers ausgeht, dann dieses: Seilschaften sind wichtiger als Leistungen. In Amerika wird angeblich der Tellerwäscher zum Millionär, weil er so tüchtig ist. In Deutschland aber wird der im Volk nahezu unbekannte Wirtschaftsexperte urplötzlich zum höchsten Repräsentanten des Volkes, weil er niemandes Kreise stört.

Ist Angela Merkel wirklich die große Siegerin? Horst Köhler wird ihr ganz persönlicher Präsident sein. Jeder Fehler, den er vielleicht macht, wird automatisch ihr aufs Konto geschrieben. Und Schäuble geht um als Gespenst. Das Gespenst eines womöglich perfekten Präsidenten. Falls Merkel für Wolfgang Schäuble war, was sie immerhin behauptet, dann wäre sie eines Tages eine Kanzlerin, die für ihre Ziele nicht sehr hart kämpft. Falls sie aber aus Gründen ihrer Karriereplanung gegen Schäuble war, dann wäre sie womöglich jemand, der sein eigenes Wohl über das Wohl des Landes stellt. Für das Land ist ein bekannter, respektierter Präsident besser als das Glücksspiel mit einem Unbekannten.

Ehrlich – wozu braucht man das? Müssen wir nicht sowieso sparen? Lohnt es sich, auch nur einen einzigen Zoo zu schließen, nur um einen Präsidenten zu finanzieren, der auf diese Weise zustande kommt?

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