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Wirtschaftsstandort Deutschland: Wir Selbstzerfleischer

Nur China steht als Standort besser da als Deutschland. Trotzdem lieben wir das Jammern: Früher haben uns alle fertiggemacht, heute erledigen wir das alleine.

Ein Feuerwerk der Zuneigung schlägt uns im neuen Jahr entgegen: Deutschland ist der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsstandort Europas, sagt weit mehr als die Hälfte aller 1200 europäischen Top-Manager, die das „Handelsblatt“ befragt hat. International schneidet nur China noch besser ab. Die USA, Japan, die Schweiz – alle schlechter als wir. Die vor wenigen Jahren noch lange Mängelliste – abgearbeitet. Das international mittelprächtige Image – poliert.

Gratulation! Ein bisschen Selbstlob darf sein. Denn auch in einer anderen Kategorie sind wir global Spitze: in der Selbstzerfleischung. Überall schätzen nämlich die Manager ihr Heimatland besser ein als in Deutschland. Früher haben uns alle fertiggemacht, heute erledigen wir das alleine.

Das Ausland kümmert’s wenig. Einige werden deshalb für sich in Anspruch nehmen, Urheber der tollen Deutschland-Stimmung zu sein. Angela Merkel zum Beispiel. Oder die große Koalition. Oder die im Wahlkampf steckenden Landespolitiker. Dabei gebührt ihnen allenfalls das Lob, nicht noch mehr Schaden angerichtet zu haben im Reform-Vor-und-Zurück. Vielmehr haben Unternehmen und Beschäftigte das Beste aus dem gemacht, was die Politik ihnen hingeworfen hat an Steuer- und Sozialversicherungsreform, an Flexibilisierung und Entflechtung der Deutschland AG.

Das gute Image ist das Ergebnis harter Arbeit – an den Bändern und in den Büros und, ja, auch in den Chefetagen, wo 2007 besonders gut verdient worden ist. Auf Letzteres haben viele Beschäftigte lange gewartet, und viele warten immer noch, trotz Aufschwung. In Zeiten des Umbaus war das vernünftig. Doch war es auch motivierend? Vor den Tarifrunden 2008 wird gestritten, was „maßvolle Lohnabschlüsse“ sind, die den eben gestärkten Standort nicht gleich wieder ruinieren. Unstrittig ist aber wohl: Wer so produktiv geworden ist, wie Umfragen belegen, der muss unterm Strich auch mehr verdienen. Es ist deshalb folgerichtig, wenn 2008 die Löhne real wieder steigen, zum ersten Mal seit vielen Jahren. Das tut auch der Volkswirtschaft gut, wenn sich der abstrakte Begriff „Binnennachfrage“ mit realem Shopping füllt. Ein fairer Lohn ist aber nicht nur eine volkswirtschaftliche Rechengröße. Er anerkennt auch, was Top-Manager jetzt Deutschland bescheinigen: produktiver und attraktiver zu sein als (fast) alle anderen.

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