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Meinung: Wissen als Waffe

Der Fall Libyen zeigt: Gewalt darf kein Exportartikel werden – schon gar kein deutscher. Von Jost Müller-Neuhof.

Vier Wochen Erlebnisurlaub in Tripolis, Vollpension inklusive und 15 000 Euro Taschengeld. Was man dafür tun muss? Aus dem Berufsalltag erzählen und den Leuten beibringen, was man so kann.

Das Angebot klingt okay, die heikle Frage ist, wer es annimmt. Wenn es sich bewahrheitet, dass deutsche Soldaten und Polizeiexperten ihren libyschen „Kollegen“ Nachhilfe im Häuserkampf gaben, haben wir ein Problem, das fassungslos macht; zum einen mit dem Personal, zum anderen mit der Politik.

Zum Personal: Von ehemaligen Leibgardisten der Bundeswehr, GSG-9-Männern oder Kräften von Sonderkommandos der Polizei darf man nicht das Geschick Schweizer Berufsdiplomaten verlangen, aber ein Minimum an Courage und Bildung, das ihnen den privaten Einsatz in Tripolis schlicht verboten hätte. Dass dies nicht nur fehlte, sondern beamtete und besoldete Profis offenbar gut organisiert unter dem Dach einer privaten Sicherheitsfirma zusammenfanden, um sich anschließend für den zeitweiligen Terrorpaten Gaddafi herzugeben, mag man als Einzel- und Ausnahmefall abtun. Allerdings zeigt es, dass die Globalisierung endgültig auch im heimischen kämpfenden Gewerbe eingezogen ist. Gewalt ist ein markt- und exportfähiges Gut geworden, wie zuletzt die Affäre um die US-Firma Blackwater verdeutlicht hat. Der in binnenstaatlicher Rechtstreue herangewachsene deutsche Sicherheitsprofi merkt, dass es internationale Nachfrage nach seinen Qualitäten gibt und wenig Restriktionen. In einer Zeit, in der selbst hierzulande Staats- und Sicherheitsaufgaben bis hin zum Justizvollzug an Private verkauft werden, sind moralische Bedenken schnell neutralisiert.

Womit die Politik ins Spiel kommt. Sollte das Schulungsprogramm unter rot-grüner Ägide als Gegenleistung für Hilfe in Geiselfragen eingefädelt worden sein, wäre dies zwar als ein weiterer bizarrer Zug von Gerhard Schröders Kanzlerschaft zur Kenntnis zu nehmen, aber immerhin spricht daraus die politische Pragmatik des überzeugten Zweckethikers. Dennoch ist es unwahrscheinlich. Und auch wenn BND und Botschaft dem Treiben tatsächlich zugesehen, aber nichts unternommen haben, mag man dies noch entschuldigen – mit Dusselei oder weil es Drängenderes zu tun gab.

Aber warum wurde der Vorfall noch im Sommer 2006 verschwiegen, als mindestens die Bundeswehr schon Konsequenzen zog und ihren Mann suspendierte? Um Elitesoldaten und Polizeispezialisten klarzumachen, dass der Export von Wissen Effekte haben kann wie der Export von Waffen, hätte es eines klaren Zeichens bedurft. Wer diesen Job macht, hat eine Verantwortung, die nicht mit der Rente endet – und schon gar nicht mit Urlaubsbeginn.

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