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Meinung: Wo ist Prodi?

Mafia-Krieg in Neapel, dubiose Spionageaffären: Italiens Regierung verheddert sich

Die Erwartungen waren wohl zu hoch. Da reist der Regierungschef überstürzt in die Hauptstadt des alltäglichen Chaos, des organisierten und des unorganisierten Verbrechens – und nachher fragen sich alle: Was hat er dort eigentlich gesagt?

Romano Prodi hat in Neapel ein schwaches Bild abgegeben. Er hat etwas von der „Krise des Mezzogiorno“ genuschelt und sich „frustriert“ gezeigt, dass Investoren wegen der Kriminalität dort nicht tätig werden wollen. Dabei befinde sich, sagt Prodi, die Stadt am Vulkan gar nicht einmal in einer „besonderen“ Krise: „Es ist leider der ganz normale Notstand.“ Und was dagegen zu tun sei, das werde der Innenminister schon verkünden, schon am Tag nach seinem, Prodis, Auftritt, fünf Tage früher als geplant. Aber warum die Hektik, wenn ohnehin alles „normal“ ist?

Gut, in und um Neapel hat noch kein Regierungschef einen starken Eindruck hinterlassen. Stark ist nur der Filz zwischen öffentlicher Verwaltung und mafiösem „System“, und dass Prodi erst dem Erzbischof seine Aufwartung machte und erst danach den lokalen Politikern, zeigt deutlich, was Italien von diesen halten soll. Prodi aber ist nicht nur in Neapel schwach. Das Chaos dort ist für ihn ein Nebenkriegsschauplatz; über die Camorra wird seine Regierung nicht stürzen. Die für Prodi entscheidenden Schlachten werden in Rom geschlagen – und dort sind ihm die Zügel bereits entglitten.

Nach einem beeindruckenden Start im Mai hat sich die Vielparteienkoalition heillos in der Haushaltsdebatte verheddert. Ein Gestaltungswille, eine Regie, eine Idee, ein politisches Reformprojekt ist nicht zu erkennen; der Regierungschef macht sich nicht einmal die Mühe, die tausendstimmige Diskussion zu moderieren.

Vielleicht kann Prodi das auch gar nicht. Anders als Berlusconi vor ihm hat er keine eigene Partei, keine Hausmacht; das rächt sich jetzt. Und seine Koalition, in der sich von Christ- und Sozialdemokraten über Radikalliberale bis Kommunisten einiges versammelt hat, ist so geworden, wie es schon ihr 250-seitiges Wahlprogramm erwarten ließ: dick, nicht stark.

Die Regierung hat es geschafft, ihre eigenen politischen Freunde gegen sich aufzubringen. Rote Bürgermeister rebellieren gegen Haushaltseinschnitte. Gewerkschaften organisieren Großdemonstrationen, leibhaftige Staatssekretäre marschieren mit gegen das, was sie selbst erst vor wenigen Wochen am Kabinettstisch beschlossen haben.

Dazu kommt der Eiertanz um zwei „Spionageaffären“, bei denen zum einen tausende Italiener, zum anderen Prodi selbst ausgeforscht wurden – Letzteres mit offenkundigen politischen Motiven. Aber die Regierung schafft es nicht, den einen oder anderen Auftraggeber in die Wüste zu schicken. Einem intrigenreichen Geheimdienstchef, auf den womöglich die eine oder andere Merkwürdigkeit zurückgeht, zwar die Ablösung anzukündigen, damit aber Wochen oder Monate warten zu wollen, das ist nichts anderes als Dilettantismus.

In Italien wartet keiner auf den „starken Mann“. Doch die Wähler warten darauf, dass die von ihnen beauftragte Koalition Politik treibt. Und darauf, dass der Regierungschef einmal so etwas wie Führungsstärke zeigt.

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