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Zukunft des Euro: Die Krise eint, sie spaltet nicht

Die Euro-Länder sind in der Währungskrise enger zusammengerückt. Künftig wird es schärfere Sanktionen für Defizitsünder geben, die Wirtschaftspolitik muss stärker koordiniert werden. Fatal wäre es allerdings, wenn diese Ideen wieder in der Schublade verschwinden würden. Denn es geht jetzt um den Euro, aber am Ende auch um viel mehr – um die gemeinsame Stimme unseres Kontinents.

Beim Geld hört die Freundschaft auf. Wie falsch dieser Satz ist, hat die zurückliegende Woche gezeigt. Das Geld, unser gemeinsames Geld, hat die Politik zu einer nie dagewesenen Rettungsaktion gezwungen. Aus dem Europa der Sonntagsreden ist am vergangenen Wochenende über Nacht eine echte Notgemeinschaft geworden. Zunächst hat die Not die Staaten der Euro-Zone zusammengeschweißt. Ob sie sie auch erfinderisch macht? Genau darum geht es in der Diskussion dieser Tage, in der sich die Umrisse der neuen europäischen Solidargemeinschaft abzeichnen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da galten die Griechen wegen ihrer überbordenden Haushaltsprobleme als so etwas wie Europas Schulden-Parias, mit denen man besser nichts zu tun haben wollte. Daran mag vielleicht auch der eine oder andere Bundestagsabgeordnete vor einer Woche bei der Abstimmung über das Griechenland-Rettungspaket gedacht haben, als sich das Parlament zähneknirschend zur Solidarität mit Athen durchrang. Doch seit aus der Griechenland-Krise die Euro-Krise geworden ist, geht es um mehr als die Frage, wie viel Schuld die Griechen an ihrem Haushaltsloch tragen, wie hoch das Risiko der Gläubiger ist und ob die europäischen Verträge überhaupt eine gegenseitige Haftung der Euro-Länder ermöglichen. Es geht vielmehr darum, ob der Euro, der einst als Projekt des politischen Willens aus der Taufe gehoben wurde, zerbricht oder nicht. In dieser Krisensituation haben sich die Euro-Staaten dafür entschieden, keines der Mitglieder fallen zu lassen. Beim Geld fängt jetzt die Freundschaft an.

Zugegeben: Das Tempo, in dem unter dem Druck der Märkte plötzlich Grundsätze der deutschen Ordnungspolitik zur Disposition gestellt wurden, ist atemberaubend. Die Europäische Zentralbank pumpt zur Stabilisierung der Währung Geld in einer Größenordnung in den Markt, die beunruhigend wirken muss. Der Euro werde so hart wie die Mark, hatte der deutsche Finanzminister Theo Waigel einst versprochen. Was von diesem Versprechen übrig geblieben ist, werden sich vermutlich auch einige Abgeordnete des Bundestags fragen, die in der kommenden Woche erneut über ein Rettungspaket zu beraten haben, ein noch größeres. Wieder wiegt es viele Milliarden schwer, aber diesmal trägt es, anders als das Griechenland-Programm, die Aufschrift „X-Large“.

Es wäre aber falsch, jetzt den Grundsätzen aus den Gründungsjahren der Währungsunion hinterherzutrauern. Dass sich seit dem vergangenen Wochenende die Gewichte in der Europäischen Union verschoben haben, ist unübersehbar. Die Euro-Länder sind auch politisch enger zusammengerückt. Man muss nicht gleich die französische Lesart teilen, dass die Staats- und Regierungschefs künftig in einer europäischen Wirtschaftsregierung zusammensitzen, deren langer Arm bis in die nationale Arbeitsmarktpolitik hineinreicht. Aber es liegt auf der Hand, dass jetzt mehr gemeinsame Absprachen auf EU-Ebene als in der Vergangenheit nötig sind, um ein weiteres Auseinanderdriften zwischen den leistungsstarken Ländern im Zentrum der Euro-Zone und den pleitegefährdeten Mitgliedern am Rand zu verhindern.

Dieser Einsicht versperrt sich inzwischen auch Angela Merkel nicht mehr. Das Eingeständnis der Kanzlerin, dass es beim politischen Zusammenwachsen in Europa in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch Versäumnisse gab, kann aber nur ein erster Schritt jener politischen Analyse sein, die die Europäer nun mitten in der Krise leisten müssen. Die Grundzüge des künftigen Systems werden dabei schon jetzt sichtbar. Es wird einerseits – wie dies vor allem auch Merkel fordert – schärfere Sanktionen für Defizitsünder geben. Auf der anderen Seite werden die Europäer ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik stärker koordinieren müssen. Fatal wäre es allerdings, wenn all diese Ideen wieder in der Schublade verschwinden würden, wenn der Finanzsturm gegen die Gemeinschaftswährung irgendwann einmal abflaut. Denn es geht jetzt um den Euro, aber am Ende auch um viel mehr – um die gemeinsame Stimme unseres Kontinents.

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