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Meinung: Zuwanderung: Warten auf bessere Zeiten

Willkommen in Deutschland - das sollte das Signal sein an die qualifizierten Köpfe der Welt. Die Regierung hatte die Akzente gesetzt, die Union war nachgezogen.

Willkommen in Deutschland - das sollte das Signal sein an die qualifizierten Köpfe der Welt. Die Regierung hatte die Akzente gesetzt, die Union war nachgezogen. Die Bundesrepublik wollte ihr Türchen öffnen mit einem Zuwanderungsgesetz. Später wollte Angela Merkel das Türchen wieder etwas schließen und Otto Schily einen Spalt abdichten, damit es aus den Flüchtlingsländern nicht zu sehr zieht. Beides gab Knatsch, aber der Konsens, den alle strapazierten, den hätte es irgendwann gegeben. Jetzt, nach den Anschlägen vom 11. September, ist alles anders. Nicht nur ein Konsens ist ferner denn je. Auch rot-grüne Alleingänge sind kaum denkbar. Das Thema Zuwanderung gehört in bessere Zeiten.

Warum das so ist, sieht man am Terminplan des Bundestages. Er wird sich nämlich in den nächsten Wochen bereits um Zuwanderung kümmern. Es heißt nur nicht so. Die Rede ist vom geplanten zweiten Sicherheitspaket der Bundesregierung. Gewiss, es birgt eine Fülle von Maßnahmen, bei denen Freunde des rechtsstaatlich Grundsätzlichen ins Grübeln kommen. Doch: Der Rechtsstaat Bundesrepublik hat nicht nur den Terror der RAF überlebt, sondern auch die umstrittenen Gesetze, die gegen ihn erlassen wurden. Mit ein wenig Glück wird er auch das Schily-Paket überleben. Viel wichtiger ist eine andere Tendenz, nicht nur der geplanten Vorschriften, sondern auch der aktuellen polizeilichen Maßnahmen: Der Ausländer wird unter Generalverdacht gestellt.

Die Diskussion um Bundeswehreinsätze im Inneren wirkt da wie ein Scheingefecht, denn: Schon Otto Schilys geplantes Sicherheitspaket hebt die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Sicherheit auf. Der Kampf gegen die Gefahr wird an die Grenze verlegt; dort, wo man eigentlich das Land verteidigt. Einreisende sollen durchleuchtet werden und womöglich auch jene, die sie hierher eingeladen haben. Asylbewerber müssen sich daran gewöhnen, bis zum Beweis des Gegenteils als Verfassungsfeinde zu gelten. Und Flüchtlinge, denen man extremistisch Böses unterstellt, sollen abgeschoben werden, auch wenn sie hier noch nichts verbrochen haben.

Aufregen ist zwecklos. So funktioniert staatliche Gefahrenabwehr, wenn Straftaten zu befürchten sind. Sie sammelt Merkmale von Tat und Tätern, typisiert sie und sucht nach Zusammenhängen, in denen diese Merkmale vorkommen. Eigentlich harmlos. Doch wenn dieses eingefahrene System auf die neuen Terror-Dimensionen trifft, sieht es anders aus. Der Umstand, Ausländer zu sein, islamisch gläubiger zumal, wird aus der Perspektive des Staates zum kriminogenen Faktor. Und davon betroffen sind nicht hundert Menschen, es sind Millionen.

Vieles ist unsicher, nur dies nicht: Die Gefahr, die wir zunächst identifiziert haben, sieht irgendwie arabisch aus. Entsprechend konzentrieren sich die Mittel. Doch Gesetze sind immer auch Botschaften. Manchmal werden sie sogar nur deshalb beschlossen. Die Botschaft des Sicherheitspakets heißt: Bürger, wir beschützen dich. Otto Schily liefert noch eine weitere Botschaft mit, die über die erste hinausgeht. Sie heißt: Bürger, wir beschützen dich vor Ausländern.

Das mag ein ungewünschter Nebeneffekt seiner Sicherheitspolitik sein. Aber es bestimmt die Haltung der Deutschen zu Ausländern heute und in naher Zukunft leider stärker als der Wunsch nach geregelter Einwanderung. Jede neue Debatte - beispielsweise um den Abschiebeschutz von Asylbewerbern - wäre davon überlagert. Die Rationalität, mit der die Zuwanderungsdebatte vorangetrieben wurde, ist vorläufig verloren. Deswegen sollte sie nun nicht unter den neuen Vorzeichen fortgeführt werden. Die geltenden Gesetze könnten sonst besser sein als die, die kommen.

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