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Pablo Nerudas „Buch der Fragen“: Der Mond in den Dromedaren

Susanne Lange hat einen postum erschienenen Gedichtezyklus des chilenischen Nobelpreisträgers neu übersetzt.

Von Gregor Dotzauer

Kinderfragen für alle, die das Staunen noch nicht verlernt haben. Fragen zu den ersten und den letzten Dingen: philosophisch neunmalklug, poetisch bis surrealistisch überschießend, mitunter auch dem Kitsch nicht abgeneigt. „Wer überzeugt das Meer, / dass es Vernunft annimmt?“ - „Warum schickt man nicht Maulwürfe / und Schildkröten zum Mond?“ – „Sag, meinst du nicht, die Dromedare / verwahren Mond in ihren Höckern?“

Was der chilenische Nobelpreisträger Pablo Neruda (1904 -1973) in seinem ein Jahr nach seinem Tod erstmals erschienenen „Buch der Fragen“ in 74 Zyklen mit jeweils einer Handvoll Zweizeilern über die Jahre gesammelt hat, ist fern der großen Gesänge, die er als Kommunist anstimmte. Es schließt eher an seine frühesten dichterischen Impulse an, nur dass hier nichts dunkel und rätselhaft bleibt – es sei denn, man wollte schlichte Antworten finden.

Susanne Lange hat das „Libro de las preguntas“ für eine von Maria Guitart frei illustrierte Geschenkbuchausgabe neu übersetzt, die wohl in erster Linie ein Publikum ansprechen soll, das eine intelligente Abwechslung von Instagram-Lyrik oder poetischen Sinnsprüchen sucht. Dennoch ist es ein Manko, dass es weder eine editorische Notiz geschweige denn ein Nachwort gibt.

Wie soll man ahnen, dass Lange die meist neun oder zehn Silben umfassenden Zeilen des spanischen Originals in ganz anders rhythmisierte jambische Formen überführt hat? Und wie soll man diesen verspielten Neruda mit dem teils dröhnenden Pathos des Politikers und Konferenzredners in Einklang bringen? Gerade wer so scheinbar naiv das Ganze der Welt in den Blick zu nehmen versucht, sollte mit dem besonderen Ort verknüpft werden, von dem aus ihm das gelingen wollte.

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