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Politik: 34 000 Soldaten sind nicht genug

Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Sevilla fordert US-General mehr Truppen

Verteidigungsminister Franz Josef Jung konnte am Donnerstag entspannt zum Nato-Treffen nach Sevilla fliegen. Der Kabinettsbeschluss, acht Tornado-Aufklärungsflugzeuge in Afghanistan zu stationieren nimmt den Druck, deutsche Soldaten auch in den unruhigen Süden zu verlegen, von der Berliner Regierung – zumindest vorläufig. Jungs europäische Kollegen waren nicht in so einer komfortablen Lage. Der neue Nato-Oberkommandierende, US-General John Craddock, legte den 26 Ministern nicht nur einen Operationsplan für Afghanistan auf den Tisch, sondern auch neue Streitkräfteforderungen. Demnach fehlen drei Bataillone, rund 2000 Mann, um die im Frühjahr erwartete Offensive der Taliban wirksam abwehren zu können.

Der britische Isaf-Oberkommandierende, Generals David Richards, der in den kommenden Tagen abgelöst wird, schätzt sogar, dass der Afghanistan- Schutztruppe 4000 bis 5000 Mann fehlen – eine komplette Infanteriebrigade. Die 34 000 Isaf-Soldaten seien gerade mal 85 Prozent der Truppen, die Craddocks Vorgänger, General James Jones, für den Schutz der Wiederaufbauteams („PRTs“) angefordert hatte. Nach wie vor hat die Nato in Afghanistan zu wenig Hubschrauber und zu wenig Transportkapazität. Die fatale Folge: Die Isaf-Truppen können nicht schnell genug auf Angriffe der Taliban reagieren, die in der Weite des Landes aus dem Nichts auftauchen und zuschlagen. Die Tornados der Luftwaffe sollen die Isaf künftig vor solchen Überraschungen schützen. Die mit Wärmesensoren und Kameras bestückten Flugzeuge könne auch bei Nacht aus großer Höhe Bewegungen in dem unwegsamen Gelände ausmachen.

„Wir müssen verhindern, dass sich die Taliban wieder im Land einnisten. Sie dürfen sich in Afghanistan nicht sicher fühlen, Und wir müssen die Kontrolle an der Grenze nach Pakistan verstärken“, sagt ein US-Diplomat in Sevilla. „Der Nato-Oberkommandierende braucht deshalb mehr Truppen. Er wird sich hier die europäischen Minister vorknöpfen.“

Bisher war die Reaktion der Europäer auf die neuen Forderungen des Oberkommandierenden mehr als verhalten. Craddock habe in den vergangenen Tagen an einige Mitgliedstaaten Briefe mit konkreten Anforderungen geschrieben, heißt es aus Nato-Kreisen. In Sevilla will er jetzt offenbar Antworten hören, bisher reagierten aber nur die USA und Großbritannien. Die Amerikaner werden 3200 Mann vier Monate später als vorgesehen aus Afghanistan abziehen, und die zur Ablösung vorgesehenen Truppen früher entsenden. Das wird über die kritische Zeit der Frühjahrsoffensive die Isaf deutlich stärken. Die Briten wollen 300 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan verlegen und an den militärischen Brennpunkten einsetzen. Zudem werden sie 500 Mann aus anderen Landesteilen in den Süden verlegen, wo die Nato im Frühjahr die größten Schwierigkeiten erwartet.

„Das alles reicht noch nicht“, meinen die US-Militärexperten im Nato-Hauptquartier. General Craddock will den Verbündeten deshalb offenbar vorschlagen, die neu aufgestellte Krisenreaktionstruppe der Nato, die seit Sommer einsatzfähige „NRF“, in Afghanistan einsetzen. Dagegen wehren sich Franzosen und die Deutschen: Die NRF sei für die schnelle Reaktion auf akute Krisenfälle vorgesehen und nicht für lang andauernde militärische Operationen. Die drohende Frühjahrsoffensive der Taliban scheint den militärischen Planern so große Sorgen zu machen, dass sie auch darüber nachdenken, wie man die Mittelmeerpartner Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko ins Boot holen könne. Auch sie müssten, ebenso wie Indien, Interesse daran haben, die islamistischen Terroristen zu besiegen. Es heißt sogar, in eine neu zu schaffende „Kontaktgruppe“ mit dem Ziel, Afghanistans Grenzen sicherer zu machen, müsse man auch den Iran aufnehmen.

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