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Volkswagen will für Fahrzeuge nach der Diesel-Nachrüstung keine Garantie übernehmen.

© dpa/Julian Stratenschulte

Update

Abgasskandal: VW stellt sich bei Diesel-Nachrüstungen quer

Das Verkehrsministerium ebnet den Weg für Diesel-Nachrüstungen. Doch Volkswagen weigert sich, den Einbau solcher Systeme zu unterstützen.

Im Kampf gegen Fahrverbote für Dieselbesitzer hat das Bundesverkehrsministerium kurz vor Jahresende die technischen Vorschriften für Hardware-Nachrüstungen vorgelegt - und damit den Weg dafür geebnet, dass auch ältere Diesel künftig die Grenzwerte einhalten können. "Jetzt ist die Nachrüstindustrie am Zug, wirksame Systeme zu entwickeln", erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Gegenwind kommt allerdings von den Autobauern; Verbraucherschützer forderten die Konzerne deshalb auf, Hardware-Nachrüstungen nicht länger zu blockieren.

Das Verkehrsministerium schrieb in einem am Freitag veröffentlichten 30-seitigen Papier die technischen Anforderungen für die "Allgemeine Betriebserlaubnis" (ABE) fest, die für die Zulassung der Hardware-Bausätze durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nötig sind. Das ist ein wichtiger Schritt für den Umbau älterer Diesel-Pkw, die in zahlreichen Ballungsgebieten im kommenden Jahr von Fahrverboten betroffen sein könnten.

Bei der Umrüstung zur Reduzierung des Stickoxidausstoßes von Diesel-Fahrzeugen werden sogenannte SCR-Katalysatoren eingebaut, die mit Harnstofflösung arbeiten. Die Nachrüstsätze müssen vom Kraftfahrtbundesamt genehmigt werden.

Aktuell lägen allerdings noch keine Anträge von Herstellern oder der Nachrüstindustrie vor, sagte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums in Berlin. Sobald Anträge vorlägen werde das KBA diese "schnellstmöglich" prüfen.

Scheuer erklärte, mit den Systemen müssten "alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden". Wenn dann die Genehmigung durch das KBA erteilt werde, sollten die Systeme "zeitnah" auf dem Markt angeboten werden können.

Deutschlands Autobauer stehen den Hardware-Nachrüstungen aber höchst skeptisch gegenüber. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) warnte, Besitzer älterer Diesel könnten bei technischen Problemen nach einer Nachrüstung nicht mit Unterstützung der deutschen Hersteller rechnen.

Verbraucherzentrale appelliert an Hersteller

"Wir können keine Garantie für ein Fahrzeug übernehmen, in das nachträglich Abgasreinigungssysteme Dritter eingebaut wurden", sagte Verbandspräsident Bernhard Mattes der Zeitung "Die Welt" vom Freitag. Bei technischen Problemen nach einer Nachrüstung könnten Besitzer älterer Diesel nicht mit Unterstützung der deutschen Hersteller rechnen: "Wenn ein Kunde sein Fahrzeug umbauen lässt, dann tragen er und der Nachrüster auch die Verantwortung für mögliche Folgeschäden."

Der "Spiegel" berichtete am Freitag, der Autobauer Volkswagen stelle sich dabei quer, die Hersteller von Nachrüstsystemen zu unterstützen. Der Konzern wolle Spezialfirmen, die ab Januar mit der Entwicklung der Systeme beginnen könnten, technisch nicht helfen, schrieb das Nachrichtenmagazin.

VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch erklärte am Freitag, es gebe bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wie sich nachträgliche Eingriffe in das Steuerungssystem, die Komponenten und die Fahrzeugarchitektur im Dauerbetrieb langfristig auswirkten. Für VW sei es wichtig, dass die Kunden ein zuverlässiges und gebrauchssicheres Fahrzeug nutzen könnten.

„Eine technisch nicht ausgereifte Nachrüstlösung kann wichtige Fahrzeugeigenschaften zum Nachteil unserer Kunden verändern“, so Welsch. „Das Fahrzeug wird sehr wahrscheinlich mehr verbrauchen, an Leistung verlieren und auch lauter werden. Eine Umrüstung, die einen enormen technischen und zeitlichen Aufwand bedeutet, kann zu massiven Problemen bei der Zuverlässigkeit und damit bei der Kundenzufriedenheit sorgen.“

FDP: Nachrüstung seit einem Jahr verzögert

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) appellierte an die Hersteller, eine Hardware-Nachrüstung nicht zu blockieren. "Es kann nicht sein, dass die Unternehmen, die den Abgasskandal verursacht haben, eine Lösung für Menschen mit kleinem Geldbeutel blockieren, weil sie darauf keine Lust haben", sagte vzbv-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth dem "Handelsblatt".

Die Hersteller sollten im kommenden Jahr betroffenen Dieselbesitzern individuelle Lösungen anbieten - und etwa SCR-Katalysatoren, die sie als Sonderausstattung oder für andere Märkte entwickelt hätten, schnellstmöglich zulassen und den Kunden anbieten.

Damit den Verbrauchern nicht mittel- und langfristig ein Schaden entstehe, müsse für die Nachrüstung die Gewährleistung ausgeweitet werden, sagte Jungbluth der Zeitung weiter. Nötig sei eine "klare Regelung" zwischen Autoherstellern und Anbietern von Nachrüstsystemen, wer für welche Schäden am Fahrzeuge die Haftung übernehme.

Die FDP kritisierte indes, dass Verkehrsminister Scheuer und die Autoindustrie "seit über einem Jahr" die Hardware-Nachrüstung verzögert hätten. "Weder die Finanzierung noch die Haftung ist geklärt", sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

ADAC-Vize-Präsident Ulrich Klaus Becker kritisierte mit Blick auf VW, dass erneut „heftige Grundsatzdebatten“ aufflammten. „Wer von Drittanbietern abrät, muss selber liefern“, sagte Becker. Hardware-Nachrüstungen seien eine sinnvolle Möglichkeit, den Stickoxid-Ausstoß von älteren Fahrzeugen signifikant zu senken. Mit den nun vorgelegten Eckpunkten würden allerdings hohe Anforderungen an die Nachrüstung gestellt.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Es ist gut, dass jetzt endlich Bewegung in die Sache kommt.“ Sie forderte erneut, die Hersteller müssten die Kosten für die Nachrüstungen übernehmen. (AFP, dpa)

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