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Am Flughafen von Gao wird eingepackt – die Rückverlegung von Personal und Material nach Deutschland hat schon vor Monaten begonnen und soll Ende des Jahres abgeschlossen sein.

© imago/photothek/IMAGO/Leon Kuegeler

Abzug aus Mali rückt näher: Deutschland will Bundeswehrhelfer nicht aufnehmen

Die lokal Beschäftigten der Bundeswehr in Mali machen sich angesichts des Abzugs Sorgen. Die Bundesregierung hält deren Lage aber nicht mit der von afghanischen Ortskräften für vergleichbar.

Bis zum Jahresende soll der Abzug der Bundeswehr aus Mali abgeschlossen sein. Für die Angestellten der Truppe vor Ort beginnt dann ebenfalls eine neue Zeitrechnung. Deutsche Soldatinnen und Soldaten hatten für die bald endende UN-Blauhelmmission Minusma Informationen aus der Luft und am Boden gesammelt. Aufgabe der Bundeswehr in Mali war die Aufklärung.

Patrouillenfahrten führten sie in entlegene Wüstendörfer, wo sie unter anderem von der einheimischen Bevölkerung wissen wollten, ob sich die Terrormilizen von Al-Qaida oder des Islamischen Staates blicken lassen hatten. Häufig mit dabei waren „Sprachmittler“, wie sie bei der Truppe sagen, also Übersetzer, um sich mit den Maliern austauschen zu können. Damit ist bald Schluss.

Den Helfern wurde nach Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam „frühzeitig transparent kommuniziert“, dass sie nach dem Abzug nicht mehr gebraucht werden. „Gültige Arbeitsverträge laufen damit zum Missionsende regulär aus, beziehungsweise vorher auslaufende Arbeitsverträge werden nicht mehr verlängert.“

„Hilferuf“ der Übersetzer

Sie verlieren nicht nur ihren Job, sie fühlen sich auch bedroht durch die islamistischen Gotteskrieger im Land. „Vor dem Hintergrund dessen, was in Afghanistan geschehen ist, wollen wir Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass Maßnahmen zu ergreifen sind, um uns vor einer solchen Situation zu bewahren“, heißt es in einem „Hilferuf“ der Übersetzer, der daran erinnert, dass vor zwei Jahren nur ein Teil der Ortskräfte aus Kabul evakuiert werden konnte, als die Taliban wieder die Macht übernahmen.

Indirekt fordern die Übersetzer in dem Brief von Anfang Juli, nach Deutschland in Sicherheit gebracht zu werden, schließlich handele „es sich bei uns Sprachmittlern, die diese Arbeit mit Ihnen gemeinsam durchführen, nur um eine Anzahl von weniger als 20 Personen“.

62
Helfer beschäftigt die Bundeswehr aktuell in Mali.

Das Einsatzführungskommando nennt auf Anfrage des Tagesspiegels auch nur eine zweistellige Zahl lokal Beschäftigter. Aktuell sind es demnach 62 in Mali und eine Person am Luftlandestützpunkt Niamey im Nachbarland Niger: „Seit Beginn der Beteiligung der Bundeswehr an Minusma haben insgesamt 80 lokal Beschäftigte für die Bundeswehr gearbeitet.“

Die Zahl ist tatsächlich mit der in Afghanistan nicht vergleichbar. So war selbst im April 2021, als das deutsche Kontingent kurz vor dem Abzug stand und bereits um ein Vielfaches kleiner war als zu Hochzeiten des Einsatzes am Hindukusch, in einer Mitteilung von 300 Beschäftigten die Rede.

Insgesamt 781 Menschen waren zu diesem Zeitpunkt, Monate vor dem Fall Kabuls und der Evakuierungsoperation, über das seit 2013 laufende Ortskräfteverfahren nach Deutschland gekommen – Tausende folgten. Da sich die Bundeswehr ihrer Fürsorgepflicht bewusst sei, hieß es damals, „bietet die Bundesregierung jeder gefährdeten Ortskraft sowie ihrer Kernfamilie die Aufnahme in Deutschland an“.

Die Gesamtlage in Afghanistan und Mali, aber auch die Gefährdungslage des für uns arbeitenden Personals, ist nicht miteinander vergleichbar.

Verteidigungsministerium

Trotz der deutlich kleineren Zahl ist ein ähnliches Aufnahmeprogramm für Mali bisher nicht geplant. Zwar stimmt sich die Bundesregierung derzeit noch zwischen den betroffenen Ministerien ab, wie man den Helfern vor Ort helfen oder sie weiter unterstützen kann. „Dabei wird je nach konkreter Lage entschieden“, so eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums, „welche Maßnahmen für die lokal Beschäftigten angebracht sind“.

Visa für die Bundesrepublik gehören zumindest bisher nicht dazu, weil keine Parallelen zur Situation vor zwei Jahren gesehen werden. „Ein Vergleich zwischen den Ortskräften in Afghanistan und den lokal Beschäftigten in Mali ist nicht zielführend“, heißt es im Verteidigungsministerium: „Die Gesamtlage beider Länder, aber auch die Gefährdungslage des für uns arbeitenden Personals, ist nicht miteinander vergleichbar.“

Bundeswehr sieht keine Gefahr

Direkt widersprochen wird auch der Selbsteinschätzung durch die Übersetzer in ihrem Schreiben von Anfang Juli. „Nach derzeitigem Erkenntnisstand unterliegen lokal Beschäftigte in Mali keiner individuellen oder systematischen Gefährdung aufgrund ihrer Tätigkeit“, so ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr gegenüber dem Tagesspiegel.

„Die Bedrohungslage wird durch die Bundeswehr kontinuierlich überwacht und bewertet“, erklärt der Sprecher weiter. Die Federführung „zur Erstellung von Schutzkonzepten und entsprechender Maßnahmen“ liege beim Auswärtigen Amt.

Noch gibt es keine Pläne, die Botschaft in Bamako zu schließen oder die Entwicklungshilfe im Sahel zu beenden – im Gegenteil: Vor den Ereignissen in Niger waren als Kompensation für den Bundeswehr-Abzug mehr Projekte das Ziel.

Den Ortskräften der Bundesministerien für Auswärtiges und wirtschaftliche Zusammenarbeit soll der Arbeitgeber also nicht so schnell abhandenkommen. Für den Krisenfall gibt es Überlegungen, ihnen auch weiter ein Gehalt zu zahlen, wie es nach den Schließungen der Auslandsvertretungen im Sudan und der Ukraine der Fall war – mehr aber nicht.

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