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Ein Bundeswehrsoldat sichert die Umgebung in Norden Malis - der vorzeitige deutsche Abzug dürfte nun noch einmal vorverlegt werden.

© Tagesspiegel/Christopher Ziedler

Update

Bundeswehr verlässt Mali schon zum Jahresende: Abzug aller Blauhelme erfordert neue Planung

Der Weltsicherheitsrat hat am Freitag entschieden, die UN-Friedenstruppen aus Mali abzuziehen. Das hat auch für die Bundeswehr und die Entwicklungszusammenarbeit weitreichende Folgen.

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Die malische Militärregierung hat ihren Willen bekommen und wird im eigenen Land künftig nur noch mit den russischen Wagner-Söldnern zusammenarbeiten - nicht nur die deutschen, sondern alle internationalen Truppen ziehen bald ab. Der Weltsicherheitsrat hat am Freitag das Ende der UN-Blauhelmmission beschlossen.

Zuerst hatte Übergangspräsident Assimi Goïta, der sich 2021 endgültig an die Macht geputscht hatte, der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich die Zusammenarbeit aufgekündigt. Danach waren andere westliche Staaten an der Reihe, was unter anderem zum angekündigten Abzug der Bundeswehr bis Ende Mai 2024 führte.

Nun müssen auch die gut 13.000 UN-Einsatzkräfte gehen, die zu großen Teilen aus dem Tschad, Niger, Togo, Ägypten und dem Senegal. Diese Staaten würden „alles andere als erfreut darüber sein“, wie der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, schon vor der Abstimmung meinte „dass sie quasi aus dem Land hinausgeworfen werden“.

Nun ist klar, bis wann das Ende des seit zehn Jahren laufenden Stabilisierungseinsatzes über die Bühne gehen wird. Der UN-Sicherheitsrat stimmte am Freitag für eine letztmalige Verlängerung des Mandats, das mit dem Abzug am Jahresende auslaufen wird. Die Befürchtung, dass das ständige Sicherheitsratsmitglied Russland von seinem Vetorecht Gebrauch machen könnte, um möglichst viel Chaos zu stiften, bewahrheitete sich nicht.

Die Resolution wurde einstimmig angenommen - andernfalls wären die Truppen vor Ort schon von diesem Samstag an ohne UN-Mandat in Mali gewesen, wobei sie allerdings auch so durch ein Truppenabkommen geschützt gewesen wären.

Bundeswehr muss geplanten Abzeug vorziehen

Die Bundeswehr muss nun ihren ursprünglich für den 31. Mai 2024 geplanten Abzug um fünf Monate vorziehen. Schon vor der Abstimmung hatte ein Sprecher von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch erklärt, dass es bereits „eine Eventualfallplanung“ gebe, die für den Fall einer sich akut verschlechternden Gefährdungslage sogar einen Abzug „innerhalb von Tagen“ beinhalte.

Am Freitagnachmittag informierte das Ministerium die Obleute der Parteien im Verteidigungsausschuss des Bundestages über das weitere Vorgehen.

„Oberste Priorität ist für uns nun, dass die Bundeswehr zügig und geordnet den Abzug antritt“, sagte die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem Tagesspiegel. Man setzte darauf, dass die malische Regierung „der Bundeswehr und den Partnernationen einen reibungslosen und sicheren Abzug ermöglicht“.

Früherer Abzug angeblich gut möglich

Das Vorziehen des Termins um einige wenige Monate ist nach Angaben aus Regierungskreisen gut möglich. Als Grund wird genannt, dass nun der ebenfalls abziehenden Gesamtmission keine Aufklärungsfähigkeiten mehr zur Verfügung gestellt werden müssen, wie das ursprünglich geplant war. Auch Hubschrauber, die die Bundeswehr für eine logistische Unterstützung bei den für das Frühjahr angesetzten Wahlen vorhalten wollte, werden jetzt nicht mehr gebraucht.

So problemlos, wie die Ministerien sie darstellen wollen, stellt sich die neue Lage für das deutsche Einsatzkontingent im sogenannten „Camp Castor“ in der Stadt Gao aber nicht dar. „Es gibt einige Faktoren, die den Abzug in dieser neuen Konstellation erschweren“, sagte der SPD-Außenexperte Schmid dem Tagesspiegel: „So wollte die Bundeswehr eigentlich Teile ihrer Ausrüstung den Vereinten Nationen überlassen.“

Nun müsste alles im Feldlager von Gao „ganz abgebaut“ werden. Zudem nütze die eigene Transportlogistik der Truppe wenig, da es nur einen Flughafen gibt, über den nun alle Truppensteller der Vereinten Nationen gleichzeitig das Land verlassen: „Da könnte es einen Stau geben“.

Als Konsequenz aus dem Mali-Abzug fordert die Unionsfraktion im Bundestag eine deutliche Ausweitung des eben erst begonnenen Militäreinsatzes im Nachbarland Niger. So sollten einem dem Tagesspiegel vorliegenden Antragsentwurf zufolge dort militärische Fähigkeiten erhalten bleiben, „die für ein fortgesetztes deutsches Engagement in der Sahel-Region auch in Zukunft wichtig sind“.

Die gegenwärtige Personalobergrenze für das das Bundeswehr-Mandat in Niger liegt bei 60 Soldaten. Sie sollen dort im Rahmen einer EU-Mission den Aufbau der nigrischen Streitkräfte unterstützen.

Notfallpläne für Entwicklungsprojekte

Konsequenzen hat das Ende des UN-Blauhelmeinsatzes in Mali auch für die Entwicklungszusammenarbeit. Schließlich soll sie ausgeweitet werden, um den Abzug der Bundeswehr auf gewisse Weise zu kompensieren und in der für Deutschland und Europa strategisch wichtigen Region weiter präsent zu sein.

„Vor allem die Entwicklungsprojekte im Raum Gao und Zentralmali profitierten bislang von der Sicherheit, die Minusma schafft“, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dem Tagesspiegel: „Sollte sich die Lage verschlechtern, sind Pläne zur Umsteuerung der Projekte vorbereitet.“

Noch aber gibt man sich optimistisch. Ministerin Svenja Schulze will sich schließlich in knapp zwei Wochen zur Präsidentin der Sahel-Allianz wählen lassen, dem wichtigsten internationalen Unterstützerverbund für die Krisenregion.

„Wir gehen aktuell davon aus, dass die Entwicklungszusammenarbeit auch ohne Bundeswehr-Präsenz in weiten Teilen des Landes möglich sein wird, solange keine substantielle allgemeine Lageverschlechterung eintritt“, so der Sprecher weiter: „Wir arbeiten in Mali bereits im Krisenmodus mit einem verschärften Sicherheitsmonitoring“.

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