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Das künftige Kirchenoberhaupt Tawadros II. tritt sein Amt in einer schweren Zeit an.

© dpa

Ägypten: Seelsorge statt Politik

Bischof Tawadros wird neuer Papst der koptischen Christen in Ägypten. Der 60-Jährige hat sich bislang auf die Jugendarbeit konzentriert. Er übernimmt das Amt in einer heiklen Phase der politischen Neugestaltung in Agypten.

Bischof Tawadros ist neuer Papst der koptisch-orthodoxen Christen in Ägypten. Tawadros, der sich bisher vor allem auf die Jugendarbeit konzentrierte, wird die koptischen Christen durch die heikle Phase der politischen Neugestaltung des Landes führen.

„Gott lenkt diese Wahl. Darum ist sie in jedem Fall gut und wird nicht kritisiert“, begründete ein koptischer Geschäftsmann in Kairo, warum die koptisch-orthodoxen Christen ihr neues Oberhaupt traditionell per Los bestimmen. Gottes Gehilfe war ein kleiner Junge, der mit verbundenen Augen das Los aus drei gewählten Kandidaten zog. Über 200 Familien hatten sich zuvor darum bemüht, dass ihren Kindern diese Ehre zufällt. Nach einer Messe in der St.-Markus-Kathedrale im Stadtteil Abbasiya in Kairo zog der ausgewählte Knabe am Sonntag den Zettel mit dem Namen von Bischof Tawadros. Er wird Nachfolger von Papst Shenouda III., der im März im Alter von 88 Jahren gestorben ist, nachdem er die koptische Kirche während 40 Jahren geführt hatte.

Tawadros, der 118. Patriarch der Kopten in Ägypten und Afrika, hat in Alexandria Pharmazie studiert und seine Ausbildung in England fortgesetzt. 1981 begann er seine theologischen Studien und trat 1988 ins Kloster ein, wo er zwei Jahre später zum Priester geweiht wurde. 1997 erhielt er von Papst Shenouda die Bischofsinsignien. Tawadros war einer der engsten Mitarbeiter seines Vorgängers. In den letzten Jahren hat sich Tawadros intensiv der Jugendarbeit gewidmet, weshalb seine Wahl vor allem von jungen Kopten begrüßt wurde.

In seiner Gemeindearbeit hat Tawadros viel Wert auf gute Kontakte zwischen Christen und Muslime gelegt. Im Vorfeld der Wahl hatte er erklärt, die Rolle der Kirche solle vor allem pastoral und im Dienste der Gläubigen und nicht politisch sein. Aus diesem Grund wurde Tawadros auch vom koptischen Laienrat unterstützt.

Der neue Patriarch der größten christlichen Gemeinschaft im Nahen Osten übernimmt sein Amt in einer Zeit, in der Ägypten nach der Revolution des letzten Jahres mitten im Umbruch steht. Der zunehmende Einfluss der Muslimbrüder und vor allem des erzkonservativen Salafisten löst bei vielen Christen Ängste aus. Es gab zahlreiche Fälle religiöser Gewalt. Deshalb gibt es auch eine heftige Debatte über die Rolle der Kirche. Eine Strömung, dazu gehört vor allem auch die Jugend, tritt dafür ein, dass der neue Papst vor allem Seelsorger sein soll. Sie argumentiert, eine ausgeprägt politische Rolle würde den Religionsstaat, den die Islamisten wollen, noch befördern. Andere plädieren für ein starkes politisches Engagement, vor allem bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, um die Rechte der Christen zu garantieren. Die Christen machen zwischen sechs und zehn Prozent der 85 Millionen Ägypter aus und sehen sich nicht als Minderheit, sondern als gleichberechtigter Teil der Bevölkerung.

Bei der Wahl der drei Kandidaten, die schließlich in die Endausscheidung kamen, hatte die Heilige Synode dafür gesorgt, dass nur moderate Kandidaten in das Losverfahren gelangen konnten. Ihre Predigten und Schriften wurden sorgsam geprüft, kontroverse Figuren wurden von vornherein ausgeschlossen. Wie Interimspapst Pachomios am Sonntag im Interview mit einer lokalen Zeitung erklärte, erwarte er vom neuen Patriarchen, dass die Arbeit an der neuen Verfassung und die Frage des Kirchenbaus, der stark eingeschränkt ist, zu seinen Prioritäten gehören werden.

Die feierliche Amtseinführung des neuen koptischen Oberhirten, an der neben islamischen Würdenträgern auch Staatspräsident Mohammed Mursi teilnehmen soll, wird am 18. November stattfinden.

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