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Afghanistan: Abdullahs Rückzug untergräbt Karsais Legitimität

Was folgt daraus, wenn die Stichwahl in Afghanistan zur One-Man-Show wird? Sechs Fragen, sechs Antworten.

Der Herausforderer von Afghanistans Präsident Hamid Karsai, Abdullah Abdullah, hat sich aus der Stichwahl zurückgezogen. Nach Wochen der politischen Ungewissheit dürfte das Kapitel der umstrittenen Präsidentenwahl damit aber längst nicht abgeschlossen sein. Was also bedeutet Abdullahs Rückzug im Detail für Afghanistans Zukunft?

Findet die Stichwahl trotzdem statt?

Das Wahlkampfteam von Präsident Karsai hat mitgeteilt, an dem Votum auch nach Rückzug des einzigen Herausforderers festzuhalten. Die von der Regierung eingesetzte Wahlkommission hat ebenfalls erklärt, dass die Wahl auch mit nur einem Kandidaten abgehalten wird. Die afghanische Verfassung ist in diesem Punkt vage. Präsident Karsai sagte, er wolle auf eine Entscheidung des Obersten Gerichts warten.

Was bedeutet Abdullahs Rückzug für Karsais Stellung?

Eine Stichwahl mit nur einem Kandidaten gilt als nicht viel mehr als eine verfassungsrechtliche Formalität und dürfte Karsais Legitimität stark untergraben. Er wird dann mit dem Vorwurf weiterregieren müssen, sein Amt nicht in einer fairen Abstimmung verteidigt zu haben. Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hatte allerdings einen Rückzug Abdullahs als rein persönliche Entscheidung bezeichnet.

Wird Abdullah zur nächsten Regierung gehören?

Künftige Gespräche zwischen Abdullah und Karsai sind nicht ausgeschlossen. Der ehemalige Außenminister könnte schließlich einen hochrangigen Ministerposten in Karsais Kabinett bekommen. Im Wahlkampf hat er sein Profil im In- und Ausland geschärft. Einige westliche Beobachter sehen deshalb seine Beteiligung an einer Regierung sogar als Schlüssel dafür, den Ruf von Karsais Regierung zu verbessern. Andere betonen aber, dass Karsai kaum daran interessiert sein dürfte, seine Macht zu teilen.

Was bedeutet der Rückzug von Abdullah für den Westen?

Fachleute sprechen von einem schweren Rückschlag für die Bemühungen, in Afghanistan eine wahre Demokratie aufzubauen. Die Wahl müsse nun neu organisiert werden, damit daraus eine legitime Regierung hervorgehen könne. Die USA und andere Länder, die Soldaten am Hindukusch stationiert haben – so wie Deutschland - haben ein starkes Interesse daran, dass in Kabul eine glaubwürdige Regierung das Sagen hat. Andernfalls wird es immer schwieriger, in der eigenen Bevölkerung die steigenden Opfer und Ausgaben zu rechtfertigen.

Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf die ausländischen Truppen in Afghanistan?

Der langwierige und chaotische Wahlprozess könnte die Moral der Soldaten weiter beeinträchtigen, die durch die außergewöhnlich hohe Zahl an Todesopfern in diesem Jahr ohnehin getrübt ist. Zudem hat Präsident Barack Obama seine Entscheidung, die amerikanischen Truppen um bis zu 40.000 Soldaten aufzustocken, von einer Lösung des politischen Patts abhängig gemacht. Bei einer Stichwahl mit nur einem Kandidaten dürften es Obama und seinen Militärs schwer haben, die Abgeordneten und die amerikanische Öffentlichkeit von einem noch größeren Engagement zu überzeugen. Eine Truppenaufstockung müsste Obama mit einem dringenden Reform-Appell an Karsai verbinden, der in manchen Kreisen als schwacher Führer einer von Korruption geprägten Regierung gilt.

Bedeutet Abdullahs Rückzug einen Sieg für die Taliban?

Die radikalen Islamisten werden seine Entscheidung als Indiz dafür werten, dass der Westen mit seiner Demokratisierung Afghanistans gescheitert ist. Die Taliban wollen die Stichwahl stören und dürften durch die andauernde politische Unsicherheit weiter an Stärke gewinnen. Schon jetzt hat ihr Aufstand Ausmaße erreicht wie noch nie seit dem Sturz der Taliban-Regierung 2001.

Quelle: ZEIT ONLINE, Reuters

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