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© dpa

Afghanistan: Anschlag auf Karsai: Polizisten beteiligt

Am Hindukusch hat sich die Sicherheitslage weiter verschärft – für Soldaten und Zivilisten gleichermaßen. Hunderte Sicherheitskräfte sahen lediglich zu, als Präsident Karsai bei einer Militärparade nur knapp dem sicheren Tod entging.

Berlin - Mit Geld scheint in Afghanistan auch Jahre nach dem Einmarsch internationaler Truppen offenbar alles möglich zu sein. Geld ist nach Einschätzung von Bundeswehr-Kreisen die wahrscheinlichste Erklärung dafür, warum es Taliban-Kämpfern am Sonntag gelang, trotz entsprechender Sicherheitsvorkehrungen auf ein hoch gesichertes Gelände in Kabul zu gelangen, auf dem der afghanische Präsident Hamid Karsai, die politische Elite des Landes und internationale Gäste einer Militärparade zusahen – und dabei von den Aufständischen getötet werden sollten. Selbst hunderte bewaffnete Sicherheitskräfte konnten oder wollten die Attentäter nicht aufhalten.

Vier schwer bewaffnete Männer hatten am Sonntag eine Militärparade in Kabul mit Karsai und hochrangigen Gästen gestürmt und mit Sturmgewehren auf die Haupttribüne gefeuert, drei Menschen wurden dabei getötet, acht verletzt. Unter den Gästen befand sich nach Tagesspiegel-Informationen auch ein Verbindungsoffizier der Bundeswehr, der sich aber in Sicherheit bringen konnte. Wie die Attentäter auf das mit Panzern und Soldaten hoch gesicherte Gelände gelangen konnten und wer hinter dem Anschlag steckt, wird derzeit noch untersucht. Experten aus deutschen Militärkreisen vermuten den afghanischen Geheimdienst oder Teile der Polizei als Drahtzieher der Aktion.

Was die Sicherheitslage im gesamten Land anlangt, ist der Anschlag auf Karsai wohl nur die Spitze des Eisberges: Ein Blick auf die Statistiken von Militärs und zivilen Organisationen zeigt deutlich, dass die Anschläge in den vergangenen Monaten stetig zugenommen haben. Der letzte Anschlag auf Bundeswehr- Soldaten der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf ereignete sich am Montag im Gebiet des deutschen Regionalkommandos Nord: Der Konvoi einer Aufklärungskompanie wurde laut Verteidigungsministeriums (BMVg) auf dem Weg von Kundus nach Masar-i-Scharif 60 Kilometer von Kabul mit Sprengstoff angegriffen. Angaben zum Attentäter oder zur Größe des Konvois machte das Ministerium zunächst nicht. Erst Ende März waren bei einem Sprengstoffanschlag in der Nähe von Kundus zwei deutsche Soldaten schwer und ein weiterer leicht verletzt worden. Im vergangenen Jahr wurden in Afghanistan mehr als 140 Selbstmordanschläge gezählt – seit 2004 hat sich ihre Zahl verzehnfacht. Insgesamt wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 2007 bei Anschlägen mehr als 8000 Menschen getötet.

Im Jahr 2005 sind die Taliban in den Kampf um das Land zurückgekehrt, anfangs nur in den Grenzgebieten zu Pakistan. Mitte 2008 haben sie mit ihrer asymmetrischen Kriegsführung den Rest des Landes erobert, was umso effektiver ausgefallen ist, da sich die afghanischen Taliban mit den Gotteskriegern von Al Qaida und den Kämpfern des islamistischen Warlords Gulbuddin Hekmatjar zusammengetan haben.

Anfangs hatten sie vor allem das Militär im Visier – sowohl das einheimische, das als Erfüllungsgehilfe der Regierung gilt, als auch Isaf-Truppen und Soldaten der amerikanisch geführten Antiterrormission „Enduring Freedom“. „Nun aber hören wir seit letztem Sommer immer öfter, dass die Taliban sich auch mit den Hilfsorganisationen befassen“, sagt Sebastian Hogan vom Afghan NGO Safety Office (Anso).

Anso, eine von der Welthungerhilfe getragene Einrichtung, erstellt vor allem Sicherheitsanalysen für die im Land arbeitenden Entwicklungshelfer. Mitarbeiter von mehr als 180 Nichtregierungsorganisationen (NGO) berichten Anso über kriminelle oder terroristische Angriffe oder leiten weiter, was sie von afghanischen Kontakten über die Pläne der Aufständischen hören. Im aktuellen Vierteljahresbericht der Organisation zeichnen sich besorgniserregende Tendenzen ab. Nach Anso-Angaben steigt die Zahl der Attacken nicht nur, sie werden auch gewalttätiger, und es gibt mehr Tote. Im gesamten vergangenen Jahr seien 15 NGO-Mitarbeiter ums Leben gekommen – dieses Jahr seien es schon nach Ablauf der ersten drei Monate neun Opfer. Auch die Entführungen häufen sich. Letztes Jahr waren es insgesamt 88. Zurzeit verdoppelt sich ihre Zahl jeden Monat. Und: Der Schwerpunkt der Taliban-Attacken hat sich verändert. Lange lag er im umkämpften Süden. Nun bewegt er sich Richtung Osten, aber auch in den bisher oft als ruhig bezeichneten Norden.

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