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Politik: Afghanistan: Der zweite Kampf um Kandahar

Es herrscht Chaos in Kandahar - Chaos im Kampf um die künftige Herrschaft. Etliche Stammesführer haben Anspruch auf die Macht angemeldet.

Es herrscht Chaos in Kandahar - Chaos im Kampf um die künftige Herrschaft. Etliche Stammesführer haben Anspruch auf die Macht angemeldet. Der zukünftige Regierungschef Hamid Karsai hat zu einem Schura, einem islamischen Beschlussgremium, aufgerufen. Es könnte eine Entscheidung treffen - doch ob sie sich in der Praxis bewähren wird, ist offen.

Die Hauptkontrahenten sind Gul Agha Scherzoi, der Gouverneur der Kandahar-Provinz vor der Machtübernahme der Taliban, und Mullah Naquibullah, der den Taliban 1994 als Kommandeur der Stadt eine"freundliche Übernahme" ermöglicht hatte. Taliban-Führer Mullah Omar überließ Kandahar am 7. Dezember Naquibullah und verschwand. Afghan Islamic Press berichtete am Samstag, dass der Verbleib Mullah Omars unbekannt sei. Ganz sicher sei jedoch, dass er Kandahar verlassen habe.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Scherzois Truppen haben derweil das Haus des Gouverneurs und den Flughafen eingenommen. Wichtige umliegende Städte wie beispielsweise Takhtapul, die strategisch wichtig auf der Kandahar-Spin Boldak-Straße liegt, sind auch unter seiner Kontrolle. Scherzoi, der über einen Stützpunkt in Quetta verfügt, versucht zurzeit, neue Rekruten für mögliche militärische Auseinandersetzungen anzuwerben. Er soll dabei vom pakistanischen Geheimdienstes Inter State Intelligence unterstützt werden.

Scherzoi wirft Karsai und Naquibullah vor, einen Deal mit den Taliban verabredet zu haben. Mullah Omar soll von Naquibullah im Gegenzug für die Preisgabe der Macht eine umfassende Amnestie zugesagt bekommen haben. Auf Druck der USA hat Karsai seinen Standpunkt nun jedoch angeblich geändert. Jetzt soll Omar vor Gericht, heißt es. Ein Sprecher von Scherzoi, Khalid Paschtun, sagte dem Tagesspiegel: "Naquibullah muss den Weg für uns frei machen. Er war immer Taliban-freundlich, und wir können nicht zulassen, dass er in Kandahar etwas zu sagen hat. Sollte er in Kandahar bleiben, werden wir die Stadt stürmen".

Scherzoi ist nicht der einzige Stammesführer, der Naquibullahs Übernahme ablehnt. Eine Reihe von Paschtunenführern, die ihre Gebiete 1994 an die Taliban abtreten mussten, haben wieder Ansprüche angemeldet. Ahmed Akundzada und Habibullah Khan haben beispielsweise in Bagh-i-Pul die gesamten Waffenbestände einschließlich 40 Panzern beschlagnahmt. Eine weitere Taliban-Hochburg, Helmand, teilten drei Stammesführer unter sich auf. Einer davon ist General Faizullah, der zu der Gruppe um Gulbuddin Hekmatyar gehört und für Karsai nicht viel übrig hat.

Wie mit Mullah Omar umgegangen weren soll, ist heftig umstritten. Scherzoi möchte ihn vor Gericht sehen. Andere Stammesführer wollen ihn ausreisen lassen. Hamid Karsai steht daher jetzt unter enormem Druck, Kandahar unter Kontrolle zu bringen. Sonst wird die Interimsregierung am 22. Dezember kaum erfolgreich ihre Arbeit aufnehmen können.

Ashwin Raman

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