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Politik: Afghanistan nach 2015 – Wieviele müssen bleiben? Spätestens im Frühsommer ist Entscheidung nötig

Brunssum - Die Rolle ist sonst nicht seine, aber er gibt sie tapfer. General Wolf Langheld ist es gewohnt, Entscheidungen zu treffen, Befehle zu geben.

Brunssum - Die Rolle ist sonst nicht seine, aber er gibt sie tapfer. General Wolf Langheld ist es gewohnt, Entscheidungen zu treffen, Befehle zu geben. Er ist der Kommandeur des Streitkräftekommandos der Nato im Niederländischen Brunssum und von dort für den Einsatz in Afghanistan zuständig. Heute aber legt der Deutsche in Springerstiefeln und mit vier Sternen auf den Schulterstücken der Flecktarnuniform öfter die Stirn in Falten, denn er darf nichts über die Zukunft verraten.

Noch ehe die Frage nach wenigstens einem Hinweis auf die Einsatzstärke nach Ende der bisherigen Isaf-Mission 2014 ganz ausgesprochen ist, hängt ein kurzes Wort abweisend in der Luft: „Nein.“ Das müssen die Politiker festlegen, die verantwortlichen Deutschen in Ministerium oder Kanzleramt aber haben bisher „keine nennenswerten“ Äußerungen dazu gemacht, stellt Langheld fest. Längst ist auf Nato-Gipfeln verkündet worden, dass es eine „Post-Isaf-Mission“ geben soll. Auch wenn der General nicht drängeln will und sagt, man müsse den Politikern „genug Zeit zum Nachdenken geben“, wird deutlich, dass die Militärs mit dem Schwebezustand nicht eben glücklich sind. „Asap – so schnell wie möglich“ hätten sie gern eine Entscheidung, allerspätestens aber im Frühjahr oder Frühsommer 2013. Schließlich hängt von den Aufgaben der Folgemission ab, wie viele und welche Soldaten und welche Ausrüstung ab 2015 in Afghanistan gebraucht werden. Es wäre blanker Unsinn, Material abzutransportieren, das man später wieder dort braucht.

Auch Ausländer werden gebraucht, egal, wie oft Langheld und seine Kollegen betonen, wie toll afghanische Kräfte Einsätze führen und dass 75 Prozent der Afghanen in Gebieten leben, in denen die eigenen Leute die Verantwortung haben. Egal, wie weit die Erwartungen an die afghanischen Kräfte heruntergeschraubt werden. Aktuell sprechen Militärs nicht mehr vom Beifahrer, der im Auto auf den Fahrersitz wechselt. In Brunssum reden sie davon, wie es ist, wenn die Tochter Radfahren lernt. Sie will fahren, und wir müssen sie lassen, ist das Credo. Allerdings braucht man dafür andere Voraussetzungen als fürs Autofahren.

Selbst wenn die Politik den Bürgern sagt, nach 2014 werde der Westen in Afghanistan nur noch trainieren und beraten – eine erkleckliche Zahl Soldaten wird zu ihrem Schutz und der Versorgung weiterhin dort sein. Bevor der erste Berater sicher in den Einsatz geht, sind „mehrere Tausend“ nötig, sagt der Chef der Einsatzplanung, US-Zweisternegeneral Joseph Reynes. „Schon um die Lichter auf einer Basis anzuschalten, brauchen sie ein paar 100.“ Vom Sanitäter bis zur Feuerwehr, vom Flugplatzpersonal bis zum militärischen Schutz. Folgt man den Ausführungen, sind mindestens 10 000, möglicherweise auch 30 000 Soldaten nötig. Wenn sich die USA weiterhin besonders stark engagieren, stellen sie vielleicht zwei Drittel – und wer den Rest?

Bis Ende dieses Jahres soll die internationale Schutztruppe Isaf auf 104 000 Soldaten schrumpfen, die Deutschen wollen ihren Anteil bis Januar auf 4400 reduzieren. Selbst bei einer kleinen Folgemission von 10 000 würden bei gleichbleibendem Anteil rund 440 Deutsche am Hindukusch sein, bei 30 000 wären es mehr als 1300. Mit 440, sagen Militärs, kann man eigentlich nichts anfangen. Bedenkt man, dass die Deutschen in einer der zentralen Basen (die wohl kaum 2014 schließt) in Masar-i-Scharif das Kommando haben und für deren Betreiben nach Militärschätzungen 2500 bis 3000 Mann nötig sind, dürfte eine durchaus nennenswerte Zahl Deutsche dort auch nach 2014 Dienst tun, wenn die Bundesrepublik ihren Anteil nicht massiv zurückfährt.

Nicht nur die Generäle, auch die Bürger in Deutschland dürften bald einmal wissen wollen, wie sich die Politiker ein Engagement in der Post-Isaf-Mission vom Jahr 2015 an vorstellen. Ingrid Müller

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