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Afghanistan: Schwere Vorwürfe gegen Bundeswehr

Der Vater eines von Bundeswehrsoldaten in Kundus getöteten Jungen beklagt, sie hätten ohne Vorwarnung auf seinen Sohn geschossen. Die Bundeswehr bestreitet das.

Knapp vier Wochen nach den tödlichen Schüssen deutscher Soldaten auf einen 15-Jährigen in der nordafghanischen Stadt Kundus hat dessen Vater Vorwürfe gegen die Bundeswehr erhoben. Khan Mohammad sagte, entgegen der Darstellung der Bundeswehr hätten die Soldaten die Zivilisten weder mit Handsignalen noch mit Warnschüssen zum Anhalten aufgefordert.

Der Kommandeur des zivil-militärischen Wiederaufbauteams (PRT) in Kundus, Oberst Georg Klein, wies die Aussage des Vaters zurück: "Die Soldaten haben übereinstimmend und sehr glaubwürdig ausgesagt, dass Warnschüsse abgegeben worden sind." Die Zivilisten seien mit ihrem Kleinlaster "in hoher Geschwindigkeit" auf eine Bundeswehr-Stellung zugefahren. Mehrere Soldaten hätten nach den Warnsignalen auf das Fahrzeug geschossen.

Vor dem Vorfall habe es Meldungen gegeben, dass Selbstmordattentäter in Kleinlastern unterwegs seien. Soldaten seien in der Gegend mehrfach beschossen worden. Am selben Tag – dem 19. Juli – sei in der Region die bislang größte deutsch-afghanische Offensive gegen die Taliban begonnen worden.

"Es war ein tragischer Unfall im Rahmen des Gefechts", sagte Klein. Er habe sich noch am selben Tag entschuldigt. Khan Mohammad, der selbst durch Kugeln verletzt worden war, betonte, er hege keinerlei Rachegefühle gegen die Deutschen. "Wir haben ihnen vergeben." Sie hätten ihm nach dem Vorfall medizinisch und finanziell geholfen. Die Bundesregierung soll nach dem Vorfall mehr als 20.000 US-Dollar Entschädigung bezahlt haben.

Trotzdem sei die Darstellung der Bundeswehr, wonach die Soldaten die Zivilisten vor den tödlichen Schüssen zum Stoppen aufgefordert hätten, "nicht wahr", sagte Mohammad. Bereits der erste Schuss habe seinen Sohn getroffen, schilderte der Vater. Die gepanzerten Fahrzeuge der Bundeswehr hätten abseits der Straße gestanden. Der Kleinlaster der Zivilisten sei bereits an ihnen vorbeigefahren gewesen, als in Fahrtrichtung von hinten rechts geschossen worden sei. Er habe die Militärfahrzeuge beim Vorbeifahren beobachtet und hätte die ihm bekannten Warnsignale nicht übersehen können.

Auch das Verteidigungsministerium wies diese Vorwürfe zurück. Das Vorgehen der deutschen Soldaten sei "in keinster Weise zu beanstanden", betonte ein Ministeriumssprecher. Die Soldaten seien gezwungen gewesen, auf das Fahrzeug zu schießen. Er zeigte sich über die Äußerungen des Vaters "überrascht". Angehörige des toten Jungen hätten bereits kurz nach dem Zwischenfall bekundet, dass letztlich nicht die Bundeswehr für den Tod des 15-Jährigen verantwortlich sei, sondern die Taliban.

Der Ministeriumssprecher bestätigte zudem, dass der Familie des Jungen entsprechend der landesüblichen Sitten eine Entschädigung gezahlt wurde. Zur Höhe wollte er keine Angaben machen, sagte aber: "Das, was in den Medien kursiert, ist sicher nicht ganz falsch."

Die Bundeswehr hatte nach dem Vorfall mitgeteilt, der Fahrer habe trotz Warnschüssen nicht gestoppt. Daraufhin hätten die Soldaten gezielt auf das Fahrzeug geschossen, um es zum Halten zu bringen. Die Soldaten hätten von einem Angriff ausgehen müssen. Sie hätten ihre Waffen im Einklang mit den bestehenden Regeln eingesetzt.

Es war der bislang zweite bekannte Vorfall, bei dem Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan einen Zivilisten töteten. Zuvor waren im August vergangenen Jahres versehentlich eine Frau und zwei Kinder erschossen worden.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, ds

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