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„I fight for Merkel“ – „Ich kämpfe für Merkel“ ist auf dem Aufnäher eines Soldaten im afghanischen „Camp Marmal“ in Masar-i-Scharif zu lesen.

© dapd

Afghanistan: Was die Lage zulässt

Im Bundestag stimmt eine große Mehrheit der Abgeordneten für den verlängerten Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch. Erstmals gibt es allerdings auch eine Abzugsperspektive.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Vor dem Hintergrund einer in der deutschen Bevölkerung nach wie vor großen Ablehnung des militärischen Einsatzes deutscher Soldaten am Hindukusch hat der Bundestag am Freitag einer Verlängerung des Einsatzmandats der Bundeswehr in Afghanistan mit breiter Mehrheit zugestimmt. Neben den Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition (vier Abgeordnete von CDU und CSU votierten mit Nein) stimmten 105 Mitgliedern der SPD-Fraktion dem Mandat zu (20 Nein-Stimmen, acht Enthaltungen).

Für die Sozialdemokraten, das machte deren Parteivorsitzender Sigmar Gabriel zuvor deutlich, stand bei der Entscheidung vor allem eines im Vordergrund: die Perspektive für den Rückzug deutscher Soldaten. Eine solche Perspektive hatte die Bundesregierung zwar in ihrem Antrag formuliert. Der Abzug soll danach in diesem Jahr beginnen, wenn es die Sicherheitslage zulässt. Und er soll, wenn möglich, bis 2014 abgeschlossen sein. Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Ziels hatte jedoch ausgerechnet der Bundesverteidigungsminister, Karl Theodor zu Guttenberg (CSU), aufkommen lassen. Und zwar beinahe zeitgleich mit dem Kabinettsbeschluss vor knapp zwei Wochen. Letztlich sei es „wurscht“, hatte Guttenberg die Perspektive relativiert, welche Jahreszahl für den Abzugsbeginn genannt werde. Entscheidend sei allein die militärische und politische Lage vor Ort. Eine Binsenwahrheit sprach Guttenberg damit zwar aus. Schließlich weiß tatsächlich heute niemand, wie sich die Lage in Afghanistan in einigen Monaten real darstellen wird. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der eigenen Pläne allerdings erwies der Verteidigungsminister seiner Regierung mit derart flapsigen Bemerkungen einen Bärendienst.

Sigmar Gabriel nutzte die Debatte im Bundestag über den Bundeswehreinsatz, um Guttenbergs Verhalten, das zuvor auch in der Regierungsspitze bereits für Verstimmung gesorgt hatte, noch einmal offenzulegen. In Afghanistan brauche die Bundeswehr einen ruhigen Regisseur, sagte Gabriel, „aber nicht einen schillernden Darsteller“. Kanzlerin Angela Merkel, forderte der SPD-Vorsitzende, müsse den Minister zurückrufen, wenn er Verabredungen über Abzugstermine infrage stelle: „Wenn Ihrem Verteidigungsminister die Strategie der internationalen Staatengemeinschaft ,völlig wurst ist’, dann ist er schlicht und ergreifend fehl an seinem Platz.“ Für Gabriel endete die Kritik an der Amtsführung Guttenbergs damit jedoch keinesfalls. Im Zusammenhang mit der Suspendierung des Kapitäns der Gorch Fock wies er darauf hin, dass jeder – ob Kadett oder Kommandeur – das Recht auf Gehör habe, wenn ihm Fehlverhalten vorgeworfen wird. Und er bezweifelte, ob zu Guttenberg dem Kapitän dieses Recht eingeräumt habe, als er ihn vor acht Tagen vom Dienst suspendierte.

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, dessen Fraktion mit 22 Stimmen gegen den Afghanistaneinsatz stimmte (34 Enthaltungen, neun Zustimmungen), warf dem Verteidigungsminister Amtsversagen vor. Zu heftigem Protest kam es später noch im Plenum, als der Linksfraktionschef Gregor Gysi den Nato-Einsatz als Terrorismus und die schwarz-gelbe Koalition als „Kriegskoalition“ bezeichnete. „Terrorismus kann man nicht mit der höchsten Form des Terrorismus, nämlich Krieg, bekämpfen“, sagte Gysi. Die Linksfraktion stimmte später geschlossen gegen die Mandatsverlängerung.

Für ein weiteres Jahr erteilte der Bundestag der Bundeswehr ein Mandat für den Afghanistaneinsatz mit einer Obergrenze von 5000 Soldaten plus einer Reserve von 350 Soldaten. Derzeit sind 4900 deutsche Soldaten am Hindukusch im Einsatz. 45 Bundeswehrsoldaten kamen dort seit 2002 ums Leben. Die Nato will den Kampfeinsatz am Hindukusch bis Ende 2014 beenden.

Wie ein Sprecher des Verteidigungsministers am Freitag mitteilte, hat Deutschland für den Anfang 2002 begonnenen Bundeswehreinsatz in Afghanistan bisher 4,74 Milliarden Euro ausgegeben. Die deutliche Steigerung der Einsatzkosten in den vergangenen Jahren ist den Angaben zufolge vor allem auf zusätzliches Material wie den Ankauf geschützter Fahrzeuge für die deutschen Soldaten zurückzuführen.

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