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Agrarsprit: Brasilien verbittet sich Nachhilfe

Umweltorganisationen haben gegen die geplante Unterzeichnung eines deutsch- brasilianischen Energieabkommens während der Brasilienreise von Bundeskanzlerin Merkel protestiert. Brasilien scheint das ins Konzept zu passen.

Entgegen den Aussagen der brasilianischen Regierung entspreche die dortige Ethanolproduktion weder sozialen Mindeststandards, noch sei sie ökologisch nachhaltig, kritisierten Umwelt- und Entwicklungsorganisationen auf einer Protestkundgebung vor dem Bundesumweltministerium in Bonn.

Die alternativen Treibstoffe dürften für Angela Merkel und den brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva eines der heiklen Themen sein, wenn sie sich an diesem Mittwoch treffen. Brasiliens Regierung forciert die Ethanolproduktion. Lula möchte sein Land zu einer Art „Saudi-Arabien des Ethanols“ machen. Einwände von Umweltschützern, Bauernverbänden, Kirchen und sogar seiner eigenen Umweltministerin Marina Silva überhört er dabei. Derzeit produziert Brasilien knapp 17 Milliarden Liter Ethanol im Jahr, wovon 3,5 Milliarden Liter exportiert werden, das meiste in die USA. Nach Europa gelangt wegen hoher Zölle bisher wenig.

EU will Anteil von Agrartreibstoffen erhöhen

Aber die EU will den Anteil von Agrartreibstoffen am Sprit bis 2020 von derzeit rund zwei auf zehn Prozent erhöhen. Die Anbauflächen in Europa reichen dafür nach Expertenmeinung nicht aus. Die kritischen Berichte von Nichtregierungsorganisationen über die verheerenden sozialen und ökologischen Folgen der Agrartreibstoffe und deren Beitrag zur Verknappung von Lebensmitteln haben dazu geführt, dass die EU Umweltzertifikate für Importe von Biotreibstoffen einführen will. Das lehnt das südamerikanische Land strikt ab. Brasilien betrachte solche Auflagen als Handelshemmnisse und werde dagegen vorgehen, sagte ein Sprecher des Energieministeriums kurz vor Merkels Abflug.

Lula argumentiert, der Biosprit habe sechs Millionen Arbeitsplätze in Brasilien geschaffen und sei klimafreundlich. „Jeder Analphabet kann ein 30 Zentimeter tiefes Loch graben und eine Pflanze heranziehen, die ihm das Öl liefert, das er braucht“, sagte er. In Brasilien, wo die damalige Militärregierung bereits in den 70er Jahren in alternative Treibstoffe investierte, fahren heute drei Viertel des Fuhrparks mit „Flex-Fuel-Motoren“. Sie können alternativ mit Benzin oder Biosprit betankt werden.

Ethanol kein "grüner Treibstoff?"

Doch Ethanol ist längst kein so grüner Treibstoff, wie die wogenden Zuckerrohrfelder Brasiliens nahe legen. „Wir entwickeln uns zurück zum Rohstofflieferanten, damit die Industrieländer ihren Lebensstandard halten können“, schimpft Joao Stedile von der Landlosenvereinigung MST. Er sieht im Ethanolgeschäft eine Allianz der Agrarkonzerne, der Erdölmultis, die nach Alternativen suchen, und der brasilianischen Landoligarchie. Auch Brasiliens Urwälder sind durch den Ethanolboom bedroht. Die Internationale Energie-Agentur IEA erwartet, dass sich der Bedarf an Ethanol bis 2020 von 40 auf 120 Milliarden Liter verdreifachen wird. Selbst wenn Brasilien nur die Hälfte davon produzierte, müssten die Anbauflächen vervielfacht werden.

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