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Politik: Am Rande der Gesellschaft

Tschechiens Kinderstrich ist ein Roma-Thema – also keins für Prag

Die Reaktionen in Tschechien waren harsch: „Alles Lüge“, hieß es bei den Behörden zu den Anschuldigungen des Kinderhilfswerks Unicef, im Grenzgebiet zu Sachsen und Bayern sei ein „regelrechter Markt für Kinderprostitution" entstanden. Auch die Autorin der Studie, die Sozialarbeiterin und Leiterin der sächsischen Hilfsorganisation Karo, Cathrin Schauer, wird kritisiert. Schon vor drei Jahren hätten sich Vorwürfe von ihr als falsch erwiesen, erklärte das Prager Innenministerium. Nun versucht Unicef, in Tschechien zu vermitteln. Direktorin Pavla Gomba sagt, Kinderprostitution sei ohne Zweifel ein Problem, „aber keiner, weder Karo noch das Innenministerium, kennt Zahlen".

Gomba weist auch auf ein Definitionsproblem hin. Laut UN-Konvention, auf die sich Schauer stützt, gilt jeder unter 18 Jahren als minderjährig, laut tschechischem Recht aber ist „freiwilliger“ Sex mit über 15-Jährigen nicht strafbar. So werden Prager Politiker durchweg von einer kleineren Dimension des Problems sprechen können als Schauer. Die tschechischen Sozialarbeiter Laszlo Sümegh und Peter Pöthe indes bieten andere Erklärungen dafür an, dass Kinderprostitution in ihrem Land nicht oder nicht als gravierend wahrgenommen wird, und dafür, dass auch die Polizei mitunter aktiv wegschaut: Ein großer Teil der Familien, die Kinder oder junge Mädchen zum „Anschaffen" schickten, seien Roma. Es gehe also um eine Gruppe, die ohnehin am Rande der Gesellschaft lebe. Auch Pavla Gomba von Unicef bestätigt, dass Prostitution unter den Roma „weit verbreitet" sei. Polizeipsychologe Gallwitz sagte der „tageszeitung", pädophile Kunden suchten gezielt den „Typus Roma“.

Cathrin Schauer nennt diesen Sachverhalt nicht beim Namen. Sie spricht lediglich von Kindern aus sozial schwachen Familien. Sozialarbeiter wie Sümegh oder Pöthe fragen jedoch, ob nicht genau dieser Faktor herausgehoben werden müsste, um die Situation richtig zu erfassen. Es gehe nicht nur um Kinderprostitution, sondern um ein Minderheitenproblem – das noch dazu zu den großen ungeklärten Fragen der EU-Erweiterung zählt.

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