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Politik: Am Rande des Vulkans

Italiens Parteienlandschaft zersplittert immer mehr Nach den Kommunalwahlen stehen Premier Monti nun unruhige Zeiten bevor.

Wo waren eigentlich die Diamanten? Zwölf Stück, so wusste es die Finanzpolizei aus ihren Ermittlungen, hatte der Schatzmeister der „Lega Nord“ gekauft. 100 000 Euro aus der Parteikasse hatte er investiert, gedacht waren sie für zwei Senatsabgeordnete. Doch aufzufinden waren die Brillanten nirgendwo, allen Hausdurchsuchungen zum Trotz.

Erst nach wochenlangem Zögern rückte der Schatzmeister die Steinchen heraus. Elf wenigstens. Er lieferte bei der Staatsanwaltschaft auch gleich jenes große Auto ab, das sich Renzo, der Sohn von Parteichef Umberto Bossi, zum Privatgebrauch hatte spendieren lassen – dazu fünf Kilo reines Gold. Alles bezahlt aus der Parteikasse, aus den staatlichen Zuwendungen an die „Lega Nord“, aus Steuergeld also.

Die „Lega Nord“, das war einmal die Partei, die das „ehrliche und fleißige“ Volk vor den Raubzügen der Politiker im „diebischen Rom“ zu schützen versprach. Nun kommt heraus, wie sich Bossis Familie und die Führungsclique der „Lega“ dabei selbst bereichert haben.

Dabei ist die „Lega Nord“ nicht der einzige Skandalfall der italienischen Parteienszene. Im linken Lager sind mindestens 23 Millionen Euro verschwunden: Hier hat der Schatzmeister der kleinen links-christdemokratischen „Margherite“ die Auflösung seiner Partei genutzt, um mit der Kasse nach Gutdünken zu verfahren. Wobei man auch hier noch nicht weiß, inwieweit der auffallend luxuriös lebende Mann – für Spaghetti mit Kaviar bezahlte er am römischen Pantheon gerne mal 180 Euro – auf eigene Faust gehandelt hat oder ob die Chefs der Nachfolgepartei die Millionen unter der Hand neu verteilen wollten.

Jedenfalls ist eine hitzige Schlacht um die Sinnhaftigkeit, den Umfang und die Kontrolle der staatlichen Parteienförderung entbrannt. Und: Das Vertrauen der Bürger in die etablierten Parteien ist auf das Allzeittief von zwei Prozent gefallen.

Nach der Einschätzung sämtlicher Beobachter weht ein Wind durch Italien wie vor genau 20 Jahren, als die „Erste Republik“ im Sumpf der Parteispenden- und Bestechungsaffäre „Tangentopoli“ versank. Die Bürger heute erfahren vom Obersten Rechnungshof, dass sich die Parteien an „Ersatz für Wahlkampfkosten“ gut viermal so viel Geld aus der Staatskasse holen, wie sie tatsächlich an Aufwendungen deklarieren, und dass sie sich diese Gelder per Gesetz im Lauf der letzten 13 Jahre auch noch verzehnfacht haben.

In diesem Klima waren nun acht Millionen Italiener in zwei Runden zur Stimmabgabe bei Kommunalwahlen aufgerufen; am Montag ging die Stichwahl zu Ende. Es war der erste und einzige offizielle Stimmungstest in der Ära von Regierungschef Mario Monti. Die Parteien wollten anhand der Ergebnisse auch entscheiden, ob sie den „Chef-Techniker“ noch bis zur regulären Parlamentswahl in elf Monaten amtieren lassen oder ihm bereits im Herbst „den Stecker ziehen“, wie es Montis Amtsvorgänger Silvio Berlusconi einmal gesagt hat.

Bei der ersten Runde der Kommunalwahlen war Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) vor zwei Wochen abgestürzt wie nie zuvor: Die PdL erreichte noch nicht einmal die Zehnprozentmarke. Noch schlechter erging es der bisher mit Berlusconi verbündeten „Lega Nord“, die für die Korruption und die Selbstbereicherung des innersten Führungsclans büßte. Dem rechten Lager sind nun – von Rom abgesehen – sämtliche Großstädte Italiens verloren gegangen.

Einen kleinen Erfolg feierten zwar die Sozialdemokraten unter Pier Luigi Bersani. Sie konnten die bisherigen Verhältnisse umdrehen: Sie nahmen den Rechten bei den Kommunalwahlen die Mehrzahl der zu vergebenden Provinzhauptstädte ab. Allerdings liegen die Resultate der Linken – den reinen Zahlenwerten nach – landesweit unter oder höchstens gleichauf mit den Ergebnissen der letzten Regional- oder Parlamentswahlen. Gewonnen hat dagegen die Protestbewegung des Genueser Komikers und Bloggers Beppe Grillo, der mit einer übers Internet verbreiteten, im Ton rotzigen bis unflätigen Fundamentalopposition gegen alles und jeden Furore macht. Einen Bürgermeisterposten hatte Grillos „Fünf-Sterne-Bewegung“ schon in der ersten Runde erobert; nun holten die „Grillini“auch das von Skandalen zerrissene Parma.

Der Politik in Italien und damit auch der „Techniker-Regierung“ von Mario Monti stehen nun unsichere, unruhige Zeiten bevor. Italiens führende Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ sieht das politische System gar „am Rande eines Vulkanausbruchs“, und die linksliberale „Repubblica“ schreibt: „Die Wahlresultate bilden eine Systemkrise ab. Sich einen Ausweg vorzustellen, ist überaus kompliziert.“

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