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Angela Merkel in der Ukraine: Die Reise der Kanzlerin ist ein Signal an Wladimir Putin

Die Reise der Kanzlerin in die ukrainische Hauptstadt Kiew ist ein Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Oder Angela Merkel hat ganz im Stillen an einer Lösung mitgearbeitet. Unüberlegte Gesten sind nicht ihre Art. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Diese Kanzlerin zockt nicht. Niemals würde sie sich, gerade in der Außenpolitik, zu unüberlegten Gesten hinreißen lassen. Dafür, dass Angela Merkel zum ersten Mal seit dem Beginn der Ukraine-Krise nach Kiew gereist ist, gibt es nur zwei mögliche Erklärungen. Entweder sieht sie, dass sich eine Lösung des kriegsähnlichen Konflikts mit Russland abzeichnet und hat daran mitgearbeitet – oder die Lage ist so verfahren, dass sie glaubt, nur noch mit einer demonstrativen Geste an die Adresse Wladimir Putins eine weitere russische Expansion in der Ukraine stoppen zu können. Als klares Signal an Moskau also, dass weder die Europäische Union noch Deutschland, vor allem Deutschland nicht, die Ukraine jemals fallen lassen werden.

Das hat dann nicht den gefährlichen militärischen Unterton, mit dem Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Regierungschefin und ihren Außenminister immer wieder nervt, so wie am 7. August in Kiew, als er schneidig verkündet: „Die Nato steht bereit, die Ukraine zu unterstützen“, als sei das Land Mitglied des Verteidigungsbündnisses. Das ist genau die Tonlage, die Putin als Vorwand dient, innenpolitisch seine Aggression in der Ostukraine als Notwehr gegen den Vormarsch des Westens zu deklarieren.

Merkel hat den baltischen Staaten den Rücken gestärkt

Die Merkelsche Intonation ist eine völlig andere. Die gab sie in Lettland, Nato-Mitglied seit 2004, vor. Für die Letten ist, wie für die Esten und die Litauer, die Mitgliedschaft in der Allianz der einzige Schutz, sich von der latenten Angst vor einer post-sowjetischen Okkupation nicht lähmen zu lassen. Die Manöver, die das unter Putin massiv modernisierte russische Militär zu Wasser und in der Luft seit vergangenem Spätsommer im Ostseeraum immer wieder abhält, haben genau dies als Übungsannahme. Wenn Merkel also hier sagt: „Die Beistandspflicht nach Artikel fünf ist nicht etwas, was auf dem Papier steht, sondern das im Zweifelsfall auch mit Leben erfüllt werden muss“, steckt dahinter die eindeutige Erinnerung daran, dass jeder Angriff auf ein Nato-Mitglied als Angriff auf alle verstanden wird und den Bündnisfall auslöst.

Wie weit will Russland mit seinen Provokationen gehen?

Wie weit Russland in der Ukraine bereit ist, mit seinen Provokationen zu gehen, hat einen Tag vor der Merkelvisite die Fahrt des russischen Hilfskonvois nach Lugansk gezeigt. Natürlich war es eine Provokation der hilflosen Regierung in Kiew, die tagelang keine angemessene Reaktion auf das im moralischen Sinne vergiftete russische Hilfsangebot gefunden hatte. Denn die Not der Menschen in den umkämpften Großstädten Lugansk und Donezk ist groß – aber doch nur deshalb, weil sich getarnte und camouflierte Truppen aus Russland in dieser ukrainischen Region festgesetzt haben und nun von der regulären ukrainischen Armee bekämpft werden.

Die Bundeskanzlerin hat in Kiew deutlich gemacht, dass die Reaktion von EU und Deutschland in diesem Land, das kein Nato-Mitglied ist, nicht militärisch, sondern nur politisch und wirtschaftlich sein kann. Wenn Präsident Petro Poraschenko das deutsche Hilfsangebot als den Beginn eines Marshallplans für die Ukraine bezeichnet, hat er damit den historischen Bogen geschlagen. Merkel ihrerseits hat den Boden für das Treffen Poroschenkos mit Putin in der nächsten Woche in der weißrussischen Hauptstadt Minsk bereitet. Verständigen sich beide auf eine diplomatische Lösung, würde von einem Marshallplan II am Ende auch Russland profitieren.

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