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Angriffe auf Botschaften: Berlin sieht sich mit Bewachung überfordert

Immer wieder werden in Berlin ausländische Vertretungen angegriffen. Das wirft im Ausland ein schlechtes Licht auf Berlin und auf Deutschland. Wie können die Botschaften besser geschützt werden?

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„Wenn wir wollen, dass unsere deutschen Botschaften in allen Ländern der Welt geschützt sind, müssen wir dafür sorgen, dass die ausländischen Botschaften bei uns geschützt sind“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitag. In den vergangenen zwei Jahren hatte es in Berlin 13 Übergriffe auf Botschaften gegeben. Für Westerwelle ein Beleg, dass es „offensichtlich ein Defizit“ gebe. Es sei dann die Aufgabe der Behörden, dem nachzugehen.

Westerwelle hatte seine Bedenken zur Sicherheitssituation der Botschaften in Berlin bereits im Februar der Senatsverwaltung für Inneres mitgeteilt. Durch die jüngsten Vorkommnisse in der iranischen Botschaft sah sich Westerwelle nun veranlasst, sich an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu wenden.

30 Männer und Frauen hatten am vergangenen Mittwoch das Gelände in Dahlem gestürmt, um gegen die Regierung in Teheran und die geltende Abschiebepraxis von Flüchtlingen in Deutschland zu protestieren. Erst am 15. November war die libysche Botschaft besetzt worden, im Oktober die nigerianische. Es seien „umgehend alle erforderlichen Maßnahmen seitens der Berliner Sicherheitsbehörden einzuleiten, damit ähnliche Übergriffe gegen ausländische Missionen künftig ausgeschlossen werden können“, schreibt Westerwelle in seinem Brief. Eine Antwort von Klaus Wowereit gab es bis Freitagnachmittag nicht. Innensenator Frank Henkel (CDU) wies die Kritik am Schutz der ausländischen Botschaften in der Stadt jedoch zurück: „Wir tun nach dem Wiener Abkommen erstens das, wozu wir verpflichtet sind und zweitens alles Mögliche, um diese Botschaften in Berlin zu sichern.“

Im Berliner Polizeipräsidium wird derzeit intensiv über das Bewachungskonzept der Botschaften beraten. Denn Berlin ist an mehreren Stellen unter Druck. Unabhängig von der brisanten politischen Lage ist der Personalmangel beim Objektschutz immens – und das seit Jahren. Vor vier Wochen hatte Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers im Abgeordnetenhaus berichtet, dass in den Bereichen Objektschutz und Gefangenenwesen über 300 Angestellte fehlen. Die dortigen Bediensteten schieben einen Berg von 500 000 Überstunden vor sich her. Die Lücken im „Zentralen Objektschutz“ (ZOS) werden durch normale Beamte gefüllt – diese fehlen wieder an anderer Stelle. Jeder Aufstand in einem Land der Welt verschärft die Misere. Anfang 2012 hatte das Präsidium einen Personalbedarf von 1237 Mitarbeitern errechnet – doch seitdem ist die Lage in vielen Staaten eskaliert. Beispiel syrische Botschaft in Tiergarten: Im Oktober 2011 war es zwei Dutzend Syrern gelungen, die Villa an der Rauchstraße zu stürmen, die nur minimal gesichert war. Seitdem stehen rund um die Uhr zwei Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei vor dem Haus, eingesetzt sind etwa ein Dutzend Beamte.

Wegen der großen Belastung und des Personalmangels hat das Präsidium intern ein Gutachten erstellt, und zwar unter dem Motto „Kann sich die Polizei noch selbst helfen?“. Im Bereich Botschaften hat die Polizei aber keine Alternativen, nach internationalen Übereinkommen ist der Gastgeberstaat verpflichtet, Vertretungen nach außen zu schützen sowie „den ungehinderten Zugang und deren reibungslose Arbeit zu gewährleisten“. Die Zahl der zu bewachenden Botschaften kann also nicht verringert werden. Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) fasste die Lage so zusammen: „Der Zustand ist unhaltbar.“ 

Unter den 643 Objekten, die derzeit geschützt werden, sind auch die 169 Botschaften in Berlin. Am schärfsten werden die israelische und die amerikanische Vertretung bewacht. Die Schutzmaßnahmen sind klassifiziert. Klasse 1 und 2 sind Gefährdungsstufen mit scharfen Bestimmungen. Bei Klasse 3 und 4 steht entweder ein Posten dauerhaft oder zeitweise vor der Tür. Im Falle der Klassen 5 und 6 fährt eine Streife das Objekt regelmäßig oder sporadisch an.

Im Rahmen der Hauptstadtfinanzierung des Bundes für Berlin, die seit 1994 vertraglich geregelt ist, blieb die Gewährleistung der Sicherheit von Botschaften und Regierungsviertel bis heute ein Streitfall. Schon 1999 sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Klaus Eisenreich, ein flächendeckender Objektschutz sei nicht gewährleistet. Erst 2001 erklärte sich der Bund bereit, 38,3 Millionen Euro pro Jahr als pauschale Abgeltung für hauptstadtbedingte Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Mit dem Ende 2007 abgeschlossenen Hauptstadtfinanzierungsvertrag, der bis 2017 gilt, wurde dieser Zuschuss auf 60 Millionen Euro jährlich aufgestockt. Das wurde vom Berliner Senat zwar als Verbesserung der Lage anerkannt, trotzdem weist das Land seit Jahren darauf hin, dass der tatsächliche Kostenaufwand für hauptstadtbedingte Sicherheitsvorkehrungen deutlich höher liege. Im laufenden Haushaltsjahr sind knapp 110 Millionen Euro veranschlagt. Den überwiegenden Teil dieser Ausgaben verschlingt der Objekt- und Personenschutz. Die Mehrkosten muss Berlin selbst aufbringen.

„Darüber wird man mit dem Bund sicherlich sprechen müssen“, sagte Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) im Oktober dieses Jahres vor dem Abgeordnetenhaus. Er unterstützt damit die zuletzt im Sommer durch den Innensenator erhobene Forderung nach mehr Geld. Doch an der Höhe der Zuschüsse wird sich in absehbarer Zeit nichts zum Positiven ändern. Innenstaatssekretär Krömer gestand am Freitag ein, dass es bislang nicht einmal ein Gespräch mit der Bundesregierung dazu gegeben habe. Bislang ist keins zustande gekommen, sagte Krömer dem Tagesspiegel. Im Sommer hatte Innensenator Frank Henkel angekündigt, sich für eine Erhöhung des Zuschusses einzusetzen. Doch der Vertrag läuft noch bis 2017. za/Ha/ks

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