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Politik: Ankara pokert mit der EU

Vermittlungsversuch zwischen der Türkei und Zypern scheitert – nun droht ein Teilstopp der Beitrittsgespräche

Die Türkei lässt ihre Häfen für Schiffe, die unter der Flagge des EU-Mitglieds Zypern fahren, bis auf weiteres gesperrt. Ankara muss deshalb mit einem Teilstopp der Verhandlungen über den EU-Beitritt rechnen. Der finnischen EU-Ratspräsidentschaft gelang es bei Gesprächen mit Zyprern und Türken am Montag nicht, einen Kompromiss zu finden. Nun dürfte die EU-Kommission kommende Woche vorschlagen, die Beitrittsgespräche mit Ankara in bis zu 20 Bereichen einzufrieren. Ankara hofft auf eine milde Reaktion der EU und auf die angekündigte neue Zyperninitiative der UN im Frühjahr. Um Kompromisse wird die Türkei aber auch dann nicht herumkommen.

Finnlands Außenminister Erkko Tuomioja erklärte in Tampere nach getrennten Gesprächen mit seinen Amtskollegen aus Zypern und der Türkei, George Lillikas und Abdullah Gül, trotz einer konstruktiven Haltung beider Seiten sei eine Lösung unmöglich gewesen. Brüssel fordert von der Türkei im Rahmen der Zollunion die Hafenöffnung für Schiffe aus dem zur EU gehörenden griechischen Teil Zyperns bis Ende des Jahres. Ankara will dem aber nur nachkommen, wenn die EU – wie vor zwei Jahren versprochen – gleichzeitig das Handelsembargo gegen den türkischen Inselsektor lockert.

Das Scheitern der finnischen Vermittlungsbemühungen beschert auch der Bundesregierung neue Probleme. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich noch am Wochenende bei zahlreichen Telefonaten an der Suche nach einem Kompromiss beteiligt. Die türkische Seite hatte ebenfalls bis zuletzt von möglichen Lösungen in dem Streit gesprochen. Berlin wollte unbedingt vermeiden, dass die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 durch den Zypernstreit mit der Türkei belastet wird. Nun wird sich Deutschland aber doch mit dem Konflikt herumschlagen müssen.

Tuomioja gab den schwarzen Peter unterdessen schon einmal an die Deutschen weiter: Bis zum Ende der finnischen Präsidentschaft am 31. Dezember hätten weitere Verhandlungen keinen Sinn, erklärte er. Das werde Konsequenzen für die Türkei haben, denn ein „Business as usual“ könne es nicht geben.

Türkische Beobachter gehen davon aus, dass die EU die Beitrittsverhandlungen in mehreren oder allen Bereichen einfriert, die mit der Zollunion zusammenhängen; bis zu 20 der 34 Verhandlungsbereiche könnten betroffen sein. Da mächtige EU-Staaten wie Großbritannien die Tür für die Türkei offen halten wollen, dürfte es keinen Konsens darüber geben, die Verhandlungen ganz abzubrechen.

Mit neuen Reforminitiativen wird die Türkei bis zum EU-Gipfel Mitte Dezember versuchen, die EU nachsichtig zu stimmen. Schon in den nächsten Tagen wollen die Türken ihre Lobbyarbeit in europäischen Hauptstädten verstärken. Dabei dürfte Ankara auch darauf verweisen, dass sich Türken und Griechen auf Zypern zu neuen Verhandlungen unter dem Dach der UN bereit erklärt haben, die spätestens Ende März stattfinden sollen.

Die Türken pokern sehr hoch. Ihre Taktik, sich darauf zu verlassen, dass der EU-Verhandlungsprozess nicht völlig abgebrochen wird, ist nicht nur europapolitisch riskant. Nach Medienberichten zogen ausländische Anleger allein in der vergangenen Woche rund eine Milliarde Dollar aus der Türkei ab, weil sie wegen des Zypernstreits eine neue Krise mit der EU befürchten.

Die Gespräche in Tampere am Montag waren nach türkischen Medienberichten an der Forderung der griechischen Zyprer gescheitert, die seit der Teilung der Insel 1974 verwaiste Stadt Varoscha unter UN-Kontrolle zu stellen. Die Türkei lehnte das ab – die Verhandlungen waren geplatzt.

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