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Eine als «Judensau» bezeichnete mittelalterliche Schmähskulptur ist an der Außenwand der Stadtkirche Sankt Marien zu sehen.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Update

Antisemitische Plastik sei „zu entfernen“: Verfassungsbeschwerde wegen „Judensau“-Relief eingereicht

Nachdem die judenfeindliche Schmähplastik an der Wittenberger Kirche vorerst bleiben darf, gibt es nun eine gegensätzliche Empfehlung.

Im Streit um das „Judensau“-Relief an der Stadtkirche Wittenberg in Sachsen-Anhalt hat ein Mann nach seiner Niederlage am Bundesgerichtshof (BGH) wie angekündigt Verfassungsbeschwerde eingelegt. Den Eingang des Schreibens bestätigte ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts am Mittwoch in Karlsruhe. Dietrich Düllmann, der 1978 zum Judentum konvertiert ist und sich seither Michael nennt, will gerichtlich erreichen, dass das antijüdische Sandsteinrelief aus dem 13. Jahrhundert entfernt wird.

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Seine Anwälte fordern, dass das BGH-Urteil aufgehoben und der Fall an den Gerichtshof zurückverwiesen werde. Das Relief sei „in Ansehung der damit verbundenen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht nur des Beschwerdeführers, sondern jedes Juden in Deutschland zu entfernen“, heißt es in der Verfassungsbeschwerde, die dem „Spiegel“ und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Das Relief zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch Spitzhüte als Juden identifiziert werden sollen. Eine laut BGH als Rabbiner geltende Figur hebt den Schwanz des Tieres und blickt in den After. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unrein.

Der BGH hatte im Juni entschieden, dass eine Bodenplatte und einen Aufsteller mit erläuterndem Text die Kirchengemeinde das „Schandmal“ in ein „Mahnmal“ umwandle, befanden die obersten Zivilrichterinnen und -richter Deutschlands in Karlsruhe (Az. VI ZR 172/20). Die Entscheidung war auf Kritik und Unverständnis gestoßen.

Expertenrat empfiehlt Abnahme

Ein Expertenbeirat hat dem Gemeindekirchenrat der Stadtkirche Wittenberg eine „zeitnahe Abnahme“ des antijüdischen Reliefs „Judensau“ empfohlen. Das teilte ein Sprecher des Gremiums am Dienstag mit. Es gelte, „eine klare Veränderung der bisherigen Situation herbeizuführen, die die Plastik mit Titulatur der gegenwärtigen Sichtbarkeit entzieht“.

Am besten geschehe dies „durch die Abnahme und Verbringung in einen die Plastik adäquat kontextualisierenden Rahmen“, heißt es in der Erklärung zur abschließenden Sitzung des 2020 einberufenen Expertengremiums.

Der Gemeindekirchenrat will nach bisherigem Stand Ende August zusammenkommen, um über die Empfehlungen zu beraten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Juni entschieden, dass das als „Judensau“ bezeichnete Sandsteinrelief aus dem 13. Jahrhundert an der Stadtkirche Wittenberg nicht entfernt werden muss.

Ein Vertreter Düllmanns erklärte am Mittwoch, sie verfolgten, „was sich angeblich oder tatsächlich in Wittenberg tut“. Es bleibe bei der Verfassungsbeschwerde. „Sollte sich der Beirat in Wittenberg für eine Abnahme des Reliefs entscheiden - so ist das zu begrüßen.“ (dpa)

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