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Ein Standbild aus einer Fernsehaufzeichnung, am 03.08.2012 von der offiziellen Syrisch-Arabischen-Nachrichtenagentur (SANA) zur Verfügung gestellt, zeigt fünf von Regierungstruppen gefangen genommene Männer die angeblich bewaffnet gewesen sein sollen.

© SANA HANDOUT/dpa

Syrien: Assads "Schlachthaus"

Folter, Vergewaltigung und Hunger: Amnesty International wirft dem syrischen Regime vor, in einem Militärgefängnis tausende Häftlinge misshandelt und willkürlich hingerichtet zu haben.

Es ist tödliche Routine. Ein bis zwei Mal die Woche, in der Regel montags und mittwochs mitten in der Nacht, werden die Opfer aus ihren Zellen geholt. Dann erzählen die Aufseher den Häftlingen, sie würden jetzt in ein anderes Gefängnis verlegt. Doch das ist eine Lüge. Denn tatsächlich werden die Menschen nach Informationen von Amnesty International mit verbundenen Augen vom „roten“ in den benachbarten „weißen“ Trakt gebracht. Erst wenn den Ahnungslosen der Strick um den Hals gelegt wird, wissen sie, dass sie sich im Exekutionsraum befinden – und in wenigen Minuten sterben werden, hingerichtet ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren. Nur weil sie dem Assad-Regime als tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle nicht genehm waren.

Der Menschenrechtsorganisation zufolge sind von März 2011 bis Ende 2015 durch derartige Massenhinrichtungen schätzungsweise zwischen 5000 und 13000 Menschen ums Leben gekommen. Und das an einem einzigen Ort, dem berüchtigten Militärgefängnis Saydnaya im Norden von Damaskus. Die Organisation geht davon aus, dass dort nach wie vor Insassen gehängt werden. Also dürften auch in den vergangenen Monaten noch mehrere hundert, womöglich tausende Gefangene durch den Strang gestorben sein. „Saydnaya ist das Ende des Lebens, das Ende der Menschlichkeit“, sagt ein Ex-Wächter.

„Politik der Vernichtung“

Amnesty sieht in dem Ausmaß der Gewalttaten den Tatbestand des Kriegsverbrechens erfüllt. Die Menschenrechtler stützen ihren jetzt veröffentlichten Report über das „Schlachthaus“ Saydnaya auf Schilderungen von 84 Zeugen und Experten. Befragt wurden unter anderem Wärter und Behördenvertreter, aber auch ehemalige Häftlinge, Richter, Ärzte und Anwälte. Deren Berichte gäben laut Amnesty Grund zu der Annahme, dass die Exekutionen und vorausgegangenen Gräueltaten von höchster Stelle der syrischen Regierung genehmigt wurden – nicht zuletzt, um jede Art von Widerspruch in der Bevölkerung zu zerschlagen. Die Machthaber in Damaskus hätten eine regelrechte „Politik der Vernichtung“ betrieben. Denn die Opfer, zumeist Zivilisten, starben nicht nur durch Hinrichtungen.

Viele Gefangene kamen ums Leben, weil sie systematisch gefoltert wurden, verhungerten oder man ihnen dringend benötigte medizinische Behandlung und Medikamente vorenthielt. Ein Häftling erzählte Amnesty, dass an einem besonders schlimmen Tag allein in seinem Gebäudeteil 13 Menschen an den Schlägen ihrer Peiniger gestorben seien. Wie die anderen Toten sind sie außerhalb der syrischen Hauptstadt heimlich in Massengräbern beerdigt worden. Niemand wurde informiert. Die Familien wissen daher oft bis heute nicht, was ihren Angehörigen widerfahren ist.

Grauen hinter Gittern mit System

Doch Saydnaya ist nicht der einzige Ort des Schreckens. Verschiedenen Berichten zufolge gibt es überall im Land Gefängnisse, in denen Missliebige misshandelt und getötet werden. Dass das Grauen hinter Gittern System hat, dafür sprechen zum Beispiel die Aufnahmen eines früheren Militärfotografen. „Caesar“, so sein Codename, hat zwischen 2011 und 2013 Bilder von Syrern gemacht, die offenkundig in den Folterkellern des Assad-Regimes gestorben sind.

Was der Archivar des Todes später einer französischen Journalistin berichtete, lässt den Atem stocken: „Ich habe Kerzenspuren gesehen. Einmal war der Abdruck einer Heizplatte zu erkennen, wie man sie benutzt, um Tee zu erhitzen. Man hatte einem Gefangenen Gesicht und Haare damit verbrannt.“ Zu Caesars Datensatz gehören 53000 Fotos. Mehr als 28000 Aufnahmen zeigen Menschen, die ihre Haft nicht überlebten.

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