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Kaum beraten, rasch abgestimmt, das galt 2015 und 2016 für eine ganze Reihe von Asylgesetzen im Bundestag.

© Michael Kappeler/dpa

Asylpolitik in Deutschland: Demokratie im Galopp

Es musste schnell gehen nach dem "Sommer der Migration" 2015. Manchmal blieb auch dem Parlament zum Nachdenken über die Asylgesetze nur Stunden, wie eine Kleine Anfrage der Linken jetzt zutage förderte.

Sachverstand von außen hat für die Asyl- und Aufenthaltsgesetze der vergangenen Jahre keine erkennbare Rolle gespielt. Wie aus der Antwort der Bundesregierung  auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, führten die Stellungnahmen von Anwaltsvereinigungen, Menschenrechtlern oder der Städte und Gemeinden in keinem einzigen von zehn Gesetzentwürfen zu Veränderungen – auch die schwarz-rote Mehrheit der Parlamentarier verzichtete: „Zu  keinem der fragegegenständlichen  Gesetzentwürfe ist die Bundesregierung vom zuständigen Ausschuss infolge der parlamentarischen  Sachverständigenanhörungen um substantielle Änderungen gebeten worden“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort.

Acht Stunden für eine Stellungnahme

Bei den Gesetzen handelte es sich um wesentlichen um die beiden Asylpakete vom Oktober 2015 und März 2016, mit denen unter anderem der Familiennachzug eingeschränkt, Abschiebungen erleichtert und die Pflicht verschärft wurde, sich am behördlich vorgeschriebenen Ort aufzuhalten. Außerdem verlängerte die Regierung zweimal die Liste von Herkunftsstaaten, die als sicher angesehen werden sollen, und führte wieder ein, dass Asylbewerber statt Bargeld Lebensmittel erhielten.

Schon seinerzeit gab es in- und außerhalb des Parlaments Kritik daran, wie die Schwarz-Rot die Pakete durch den Bundestag peitschte.  Die Neue Richtervereinigung stellte fest, dass „ein wirkliches Interesse der Regierung und damit die Möglichkeit der Partizipation an zentraler gesetzgeberischer Tätigkeit ersichtlich nicht besteht“, Amnesty International nannte die Frist, die die Regierung für eine Stellungnahme gesetzt hatte, „absolut inakzeptabel“. Aus der Antwort der Bundesregierung geht jetzt auch detailliert hervor, wie wenig Zeit die Fachleute hatten. So ging die Aufforderung,  ihren Sachverstand zum Asylpaket II einzubringen, am 1. Februar  2016 um 12.13 Uhr an die Sachverständigen, von Pro Asyl über Ärzteverbände bis zum UN-Flüchtlingskommissariat, Antworten sollten sie bis 20 Uhr am selben Tag, also in nicht einmal acht Stunden.

Gesetze "von besonderer Dringlichkeit"

Auch für die Beschäftigung mit deren Analysen und Einwänden blieb folglich keine Zeit: Am 3. Februar ging das Paket bereits durchs Kabinett. Anhörungen, bei denen nachgehakt und mit den Experten hätte diskutiert werden können, fanden erst gar nicht statt - außer im Fall des Asylbewerberleistungsgesetzes 2014, das notwendig geworden war, weil das Bundesverfassungsgericht ein menschenwürdiges Existenzminimum für Asylbewerber angemahnt hatte. Generell ließ die Regierung dem Wissen von außen nur vor dem „Sommer der Migration“ 2015 einmal vier Wochen Luft. Bei allen folgenden Gesetzen blieben lediglich Tage oder Stunden. Vier liefen später in ebenfalls beschleunigten Verfahren durch den Bundesrat.

Die Antwort der Regierung enthält auch das Eingeständnis, dass ihr Vorgehen massiven Protest der so unter Druck Gesetzten einbrachte: „Viele“ oder „die meisten“ der teils mehr als hundert Verbände, die pro Gesetz beteiligt werden sollten, hätten dies bei praktisch allen zehn Gesetzentwürfen kritisiert, heißt es im Text. „Die Bundesregierung hat die Kritik jeweils zur Kenntnis genommen.“ Ähnlich kühl die Rechtfertigung für den Zeitdruck:  Man habe „im Rahmen des Möglichen unverzüglich“ eingeladen. Im übrigen habe "sich gezeigt, dass vielen Akteuren auch in sehr kurzer Zeit fundierte Stellungnahmen möglich waren".

Einer „verbesserten Steuerung und Ordnung des Flucht- und Migrationsgeschehens“ wegen seien die Gesetze von „besonderer Dringlichkeit“ gewesen. Dennoch versichert die Regierung Merkel: Aus ihrer Sicht sei es "von hohem Wert, wenn die unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen aller Betroffenen sowie eines möglichst breiten Spektrums zivilgesellschaftlicher Institutionen mit möglichst vielen gründlichen und umfassenden Bewertungen einfließen und kritische Stellungnahmen im Rahmen solcher Beteiligungsprozesse erwogen werden können".

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