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Riskant. Demonstranten protestieren in Sydney gegen Chinas Führung.

© imago images/AAP

„Atmosphäre der Angst“: Wie die KP Chinesen im Ausland drangsaliert

Der Arm des chinesischen Staatsapparates reicht weit. Das zeigt Human Rights Watch am Beispiel chinesischer Studenten in Australien und Neuseeland.

In China feiert sich die Kommunistische Partei gerade selbst: Zum 100. Geburtstag der KP bekräftigte Chinas Präsident Xi Jinping eben noch die „absolute Führungsrolle“ der Partei. Wie mächtig und einflussreich der chinesische Staatsapparat ist, das zeigt auch ein aktueller Bericht von Human Rights Watch. In diesem schildert die Menschenrechtsorganisation am Beispiel der australischen Universitäten, wie weit der Arm Pekings reicht: So fühlen sich chinesische Studenten selbst an australischen Hochschulen vom chinesischen Staat „überwacht“.

„Ich muss mich selbst zensieren“, berichtete beispielsweise Lei Chen, ein Student vom chinesischen Festland, der in Australien studiert, und im Interview ein Pseudonym verwendet. „Ich komme nach Australien und bin immer noch nicht frei.“

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Insgesamt hat die Menschenrechtsorganisation fast 50 chinesische Studenten und Akademiker in Australien befragt. Pro-demokratische Studenten berichteten in den Interviews, dass sie sich selbst „zensieren“ würden, um Drohungen und Schikane durch Mitschüler zu vermeiden und um zu verhindern, dass sie bei den Behörden in der Heimat „denunziert“ werden. Akademiker, die Sinologie-Kurse unterrichten, bestätigten, dass sie einen ähnlichen Druck verspürten.

Es herrsche eine „Atmosphäre der Angst“, die sich in den vergangenen Jahren verschlimmert habe, heißt es in dem Ende Juni veröffentlichten Bericht. Auslöser seien die pro-demokratischen Demonstrationen in Hongkong 2019 gewesen. Ein Student berichtete, dass der Name des Gebäudes, in dem er wohnte, öffentlich gemacht worden sei. Ein anderer sagte: „Wenn du die KP im Ausland kritisierst, werden sie Menschen finden, die du liebst, um an dir Rache zu üben.“ Eine junge Frau schilderte, wie ein Klassenkamerad ihr eine Nachricht zukommen ließ, in der er sie warnte, dass er sie „beobachten“ würde. Er sei auf der Seite der Polizei in Hongkong.

Die Familien in China werden bedroht

Während der Interviews stießen die Forscher zudem auf drei Fälle, in denen die Aktivitäten eines Studenten in Australien dazu führten, dass die chinesische Polizei die Familien in China kontaktierte. In einem Fall drohten die chinesischen Behörden einem jungen Mann mit Gefängnis, nachdem er einen Twitter-Account in Australien eröffnet und pro-demokratische Botschaften veröffentlicht hatte. Der Student sagte, er habe den Account gelöscht, da er Angst hatte, dass seinen Eltern etwas zustößen könnte. „Es gibt viele Studenten, die die gleiche Meinung wie ich vertreten, aber sie haben zu viel Angst, sie auszusprechen.“

Ein ähnliches Bild zeichnet ein junger Uigure in Neuseeland in einem Interview mit dem Sender „Radio New Zealand“. „Ich kann mich nicht wirklich sicher fühlen“, sagte der Mann, der unter dem Pseudonym Sam auftrat und seine Stimme zusätzlich verzerren ließ. Als er das letzte Mal ein Interview gegeben habe, habe er einen Anruf von der chinesischen Botschaft in Neuseeland erhalten. „Das hat mich wirklich erschreckt“, sagte er.

Sam berichtete, wie er bereits 2019 jeglichen Kontakt zu seiner Familie in der Provinz Xinjiang verloren habe und Angst habe, dass seine Familienmitglieder in eines der dortigen Umerziehungslager geschickt worden seien. „Niemand nimmt das Telefon ab. Ich habe keine Ahnung, was los ist oder was mit meiner Familie passiert ist.“ Westliche Medien haben bereits über Folter, Zwangssterilisationen und Vergewaltigungen in den Lagern berichtet und Erfahrungsberichte von Überlebenden veröffentlicht. Doch die KP dementiert die Vorwürfe und sagt, die vermeintlichen Opfer seien „Schauspieler, die falsche Nachrichten verbreiten“.

Westliche Staaten werfen China inzwischen Völkermord an den Uiguren vor. Auch Sam verglich das Vorgehen der Kommunistischen Partei mit der Judenverfolgung in Deutschland während der NS-Zeit. „Was in Xinjiang passiert, ähnelt dem Nazi-Deutschland während des Weltkrieges“, sagte er. „Sie bringen Menschen ohne Grund und ohne Anklage in Konzentrationslager.“

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