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Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP)

© dapd

Politik: Atomspaltung auf bayerisch

Die Regierungspartner CSU und FDP entzweien sich über die Energiewende des Ministerpräsidenten

FDP-Bundesgrößen halten es mittlerweile für dringend geboten, mäßigend einzugreifen auf die polternden Parteifreunde in München. So versicherte Generalsekretär Christian Lindner vor dem Feiertag, die Bayern-Liberalen würden weiterhin gerne als Koalitionspartner mit der CSU in der Staatsregierung weiterarbeiten. Und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die zugleich den Liberalen-Landesverband anführt, mahnt: „Eine Belastung der Koalition entsteht nur dann, wenn man übereinander schlecht in den Medien redet.“

Seit eineinhalb Wochen streiten CSU und FDP nun über die Haltung des Freistaats zum Atomausstieg – und es geht immer heftiger und erbitterter zu. Während Ministerpräsident Horst Seehofer und sein Umweltminister Markus Söder in der CSU einen drastischen grünen Kurswechsel durchgesetzt haben, bremst die FDP mit aller Kraft. Kern des Disputs bleibt die Frage, ob man 2022 als das Jahr benennen sollte, in dem alle deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen. Während die FDP im Bund dem Plan zugestimmt hat, hadern Bayerns Liberale weiterhin. Erst jüngst sagte FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil: „Für Bayern ist der Kompromiss ein Risiko.“ Und gestern verkündete der Vertreter Seehofers im Amt des Ministerpräsidenten, ein „flacher Ausstiegspfad“ sei nötig.

Das sind öffentliche Querschläge gegen Horst Seehofer. Eine Opposition benötigt der Freistaat derzeit kaum, diese Aufgabe wird innerhalb des Regierungsbündnisses miterledigt. Die Koalition steckt in ihrer schwersten Krise, seit CSU und FDP nach der Landtagswahl vor gut zweieinhalb Jahren zusammengefunden haben. Die Atomkraft hat sie gespalten.

Erst zehn Tage ist es her, dass Seehofer und Söder gestärkt aus der Klausurtagung des CSU-Vorstands im Kloster Andechs in die Kabinettssitzung gingen. Nach längerer Debatte auf Bayerns „Heiligem Berg“ stützte die Partei die beiden Vorreiter beim Atomausstieg. Seehofer schien nun endlich das große Thema seiner Amtszeit gefunden zu haben – Bayern als Bundesprimus in Sachen „Energiewende“. Am Dienstag vergangener Woche jedoch musste der MP – zum wiederholten Mal – feststellen, dass er die FDP vergessen hat. Deren beide Minister, vor allem Martin Zeil, wehrten sich gegen die Festlegung auf ein Ausstiegsdatum. Zeil warnte davor, dass dies die Wirtschaft und damit auch die Arbeitnehmer im einstigen Atomland Bayern überfordere. Da nutzte auch die indirekte Rücktrittsdrohung von Markus Söder nichts, der plakativ mit grasgrüner Krawatte in der Sitzung erschien.

Entscheidende Unterstützung erhält Zeil vom FDP-Fraktionschef Thomas Hacker und von der Münchner Generalsekretärin Miriam Gruß, die Seehofer vorwirft, er habe sich das „Wunschdenken der Grünen“ angeeignet. Nachdem sich das Kabinett nur darauf einigte, dass es nicht einig ist, zog Seehofer die Konsequenz: Er erklärte den Atomausstieg und das Vorgehen in Bayern zur Chefsache. Die Staatskanzlei soll Koordinator sein, jedes involvierte Ministerium habe seine Aufgaben zu erledigen. Es spricht vieles dafür, dass Seehofer mit Zeil und den Liberalen, die im Herbst 2008 mit acht Prozent in den Landtag eingezogen waren, nach diesen Tagen ziemlich durch ist. Seine Lage beschreibt der Ministerpräsident als „fraglos schwierig“, Zeils Widerborstigkeit sei ihm „schleierhaft“.

Die FDP aber legt weiter nach. So sprach die Landtagsfraktion gestern in einer Mitteilung von dem „vom bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil vorgelegten und vom Kabinett beschlossenen Konzept zur Energiewende“. Alle seien in der Pflicht, dieses zu unterstützen. Plötzlich stammt also gar der ganze Plan von Zeil, Seehofer hingegen wird mit keinem Wort erwähnt.

Das laute Aufbegehren der Liberalen hat auch damit zu tun, dass sie bisher in der Regierungskoalition kaum wahrgenommen wurden. Martin Zeil wird als behäbig und zu nett etikettiert. Die Wirtschaft kam gut aus der Krise, der zuständige Minister hingegen blieb unbeachtet. Es ist eindeutig Seehofers Strategie, die FDP bei der Landtagswahl im Herbst 2013 wieder aus dem Parlament zu drängen und nach der absoluten Mehrheit der Mandate zu greifen.

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