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Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Auch für private Überwachungskameras gelten strenge Regeln

Datenschutz ist im Zeitalter der Rundumüberwachung für viele ein hohes Gut. Das müssen zum Bespiel auch Hausbesitzer beachten - sonst können sie bei Streit den Kürzerenziehen. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs hervor.

Sie hängen vor Ministerien, Polizeidienststellen, Firmengebäuden oder in U-Bahnen: Auf insgesamt rund eine Million schätzen Experten die Zahl der Überwachungskameras in der Bundesrepublik, der britischen Regierung zufolge sind es auf der Insel sogar bis zu 5,9 Millionen Stück. Und längst sind es nicht mehr nur öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen, die auf Videoüberwachung setzen. Auch in Deutschland bringen immer mehr Hausbesitzer eigene Kameras an, um Verbrecher abzuschrecken oder überführen zu können. Doch auch sie müssen sich an die geltenden Datenschutzregeln halten, wie jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg festgestellt hat.

In einem am Donnerstag veröffentlichten Grundsatzurteil machten Europas oberste Richter klar, dass Privatleute zwar sehr wohl ihr Eigentum schützen dürfen, aber rechtlichen Einschränkungen unterliegen, wenn die von ihnen installierten Kameras auch den öffentlichen Raum, also zum Beispiel den Gehweg oder die Straße vor dem Haus, erfassen. „Dies verlangt grundsätzlich die Einwilligung der Betroffenen zur Verarbeitung der Daten – außer das Interesse der Hausbesitzer wiegt in einem konkreten Fall so schwer“, sagte der EuGH-Sprecher Hartmut Ost dem Tagesspiegel. Das Urteil kommt daher in der Praxis einer deutlichen Einschränkung der privaten Überwachung gleich.

Der Europäische Gerichtshof entschied über einen Fall aus Tschechien

Konkret hatte das Gericht über einen Fall aus Tschechien zu entscheiden. Die Familie von Frantisek Rynes fühlte sich bedroht, weil Unbekannte mehrfach Fenster ihres Hauses einwarfen. Er installierte eine Überwachungskamera, die nicht nur sein Grundstück, sondern auch die Straße und den Eingang des Hauses auf der anderen Seite im Blick hatte. Als im Oktober 2007 erneut Scheiben zu Bruch gingen, übergab Rynes die Aufzeichnungen der Polizei, die daraufhin zwei Verdächtige ermittelte. Nachdem einer der Angeklagten Protest bei der tschechischen Datenschutzbehörde eingelegt hatte, dass seine Daten ohne seine Einwilligung genutzt wurden, verhängte das Amt eine Geldbuße gegen Rynes, der daraufhin wieder das Amt verklagte. Er berief sich auf die Ausnahme im europäischen Datenschutzrecht, wonach eine Überwachung zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und des Eigentums zulässig ist.

Es gibt Ausnahmen im Datenschutzrecht, die aber eng auszulegen sind

Das Oberste Gericht Tschechiens in Prag legte den Fall dem EuGH vor, um die konkurrierenden Rechte gegeneinander abzuwägen – mit dem Ergebnis, dass das Datenschutzrecht im öffentlichen Raum auch für private Aufnahmen gilt. So gilt es zwar, das Sicherheitsbedürfnis zu würdigen, doch sei die Ausnahme im europäischen Recht für Datenschutz gleichzeitig „eng auszulegen“. Das Gericht weist zudem auf die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten hin, das Recht selbst zu präzisieren.

Dies ist in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen EU-Staaten bereits geschehen. So dürfen Hausbesitzer hierzulande nur ihr eigenes Grundstück überwachen. Die Kameras dürfen nicht so ausgerichtet sein, dass öffentliche Wege oder der Garten des Nachbarn gefilmt werden. Vorgeschrieben ist auch, dass die Geräte sichtbar montiert sind oder mit einem Schild auf sie hingewiesen wird.

Das Urteil ist auch für Deutschland von Bedeutung

Von Bedeutung ist das Urteil für Deutschland dennoch, weil auf europäischer Ebene derzeit eine Datenschutzverordnung verhandelt wird, die in ganz Europa gelten soll. Die jüngsten Entwürfe orientieren sich dabei in diesem Punkt an der alten Richtlinie – auch dort gibt es eine Ausnahme für Privatleute, auch dort tritt das Recht auf Nicht-Überwachung mit dem privaten Schutzbedürfnis in Konkurrenz. „Der Gerichtshof hat mit seinem Urteil die jetzige Praxis in Deutschland als Standard festgesetzt“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht, der für das Parlament die neue Datenschutzordnung verhandelt, „und dafür gesorgt, dass diese Balance auch gilt, wenn für alle Europäer nur noch ein Datenschutzrecht gelten wird.“

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